Header image  
Hutzi Spechtler  
   Jahreskalender - aktuelle Zeit Deutschland
 

 
 
 

Supermassives Duo im Pas-de-deux - Kollision zweier supermassereicher Schwarzer Löcher in 100.000 Jahren

Gemäß einer neuen Studie befinden sich zwei supermassereiche Schwarze Löcher [1] (Abb. 1) in einer Galaxie im Sternbild Jungfrau (Vir) [1] auf dem Weg zu einer "Monsterkollision". Die beiden supermassereichen Objekte befinden sich rund 3,5 Milliarden Lichtjahre [1] von der Erde entfernt. 

duo

Abb. 1 Künstlerische Darstellung der Verschmelzung zweier
supermassereicher Schwarzer Löcher.
© NASA/Wiki Commons

 

Große Galaxien, Quasare und Schwarze Löcher
Große Galaxien enthalten in der Regel ein zentrales Schwarzes Loch. Nicht nur in der Vergangenheit der Geschichte des Universums verschmelzen immer wieder Galaxien und oftmals auch deren zentrale Schwarze Löcher.

Sog. Quasare [1] befinden sich in den Kernen von Aktiven Galaxien [1]. Dabei handelt es sich zumeist um Objekte des frühen Universums, die wir gegenwärtig in großen Entfernungen beobachten. Sie machen sich durch ihre große Helligkeit bemerkbar.

Quasare bestehen in ihren Zentren aus riesigen Schwarzen Löchern, den supermassereichen Schwarzen Löchern, die meist von einer enorm großen Scheibe, der sog. Akkretionsscheibe [1] umgeben sind. Die Schwarzen Löcher ernähren sich aus dem Material dieser Scheibe, wenn dieses nach und nach in den "Schlund" des supermassereichen Objektes fällt.

Bereits seit längeren vermuten die Wissenschaftler die Existenz von Doppelsystemen supermassereicher Schwarzer Löcher, die wahrscheinlich in großer Zahl im Universum vorhanden sind.

Obwohl Schwarze Löcher schwarz sind und somit nicht direkt beobachtbar, kann man ihre Wirkung (auf die Umgebung) indirekt nachweisen bzw. sichtbar machen. Die Periodizität der Lichtkurven [1] der Quasare dient als Beweis für die (mögliche) Existenz dieser dichten und exotischen Doppel-Objekte.

PG 1302-102
Ein Beispiel für ein derartiges massereiches Duo ist das Objekt PG 1302-102 [1], ein Quasar mit einem Doppel-Supermassereichen Schwarzen Loch (Abb. 2) im Sternbild Jungfrau (Vir). Der Quasar befindet sich in einer Entfernung von etwa 3,5 Milliarden Lichtjahren.

Es handelt sich um den ersten Quasar, der ein Paar supermassereicher Schwarzer Löcher einer Akkretionsschreibe [1] enthält. Der Quasar befindet sich in einer Elliptischen Galaxie [1].

Mithilfe eines Modells wollen die Wissenschaftler berechnet haben, dass die beiden supermassereichen Schwarzen Löcher nur noch etwa eine Lichtwoche [1] voneinander entfernt sind, rund 1.000 Mal weniger als sämtliche bekannten Paare Schwarzer Löcher. Somit befände sich das Paar auf einem direkten Kollisionskurs (Abb. 2). Die Forscher rechnen mit der Kollision in rund 100.000 Jahren.

duo

Abb. 2 Künstlerische Darstellung zweier sich umeinander drehender Schwarzer Löcher.
Das Schwarze Loch im Zentrum der Aufnahme konsumiert zur Zeit keine Materie,
die von dem zweiten Schwarzen Loch (links) stammt; der hell leuchtende Bereich
oberhalb des zweiten Schwarzen Loches stammt von dem es umgebenden Gas.
© Z. Haiman/Farris et al. (2014)

 

Die Lichtkurve
Mithilfe von Besonderheiten der Lichtkurve konnte das sich auf Kollisionskurs befindliche Duo in dem Objekt PG 1302-102("PG") bemerkbar machen. Mit einer Periode von 4,6 Jahren flackert das Licht des Quasars in ungewöhnlicher Art und Weise. 

Üblicherweise flackern die die supermassereichen Schwarzen Löcher beinhaltenden Quasare eher zufällig, wenn deren Materiekonsum steigt oder fällt. Im Fall von PG jedoch flackert das Licht des Quasars sehr regelmäßig bzw. periodisch. Die Helligkeit des Quasars nahm im Beobachtungszeitraum von rund 20 Jahren alle etwa fünf Jahre um rund 14 Prozent zu.

Die Berechnung des Zeitpunktes der (möglichen) Kollision der beiden Monsterobjekte in PG beruht auf dem regelmäßigen Flackern des Lichtes des Quasars, der von den Schwarzen Löchern versorgt wird, wenn diese aufgrund des Einverleibens von Gas und Staub das Leuchten erzeugen.

Das Modell
Ein neues Modell des PG-Systems [2] läßt vermuten, dass die beiden supermassereichen Schwarzen Löcher nur noch eine Lichtwoche voneinander entfernt sind; das wäre der geringste bekannte Abstand zweier Schwarzer Löcher dieser Größe bzw. Masse, rund 1.000 mal geringer als alle anderen bekannten Pendants.

Dabei umkreist ein supermassereiches Schwarzes Loch ein anderes, das rund 10 mal mehr Masse besitzt. Das kleinere (masseärmere) Schwarze Loch ist von einer Akkretionsscheibe umgeben. Die Gesamtmasse des Systems schätzen die Forscher auf mindestens eine Milliarde Sonnenmassen [1].
Falls dies zutrifft, befinden sich die beiden Riesenobjekte auf einem Kollisionskurs, dessen Höhepunkt in rund 100.000 Jahren stattfinden wird.

Ein Test der ART
Da eines der beiden supermassereichen Schwarzen Löcher gegenüber seinem Pendant viel leichter und somit kleiner ist, umkreist sich das Paar in großer Nähe. Der kleinere der Riesen tanzt mit etwa 7 Prozent der Lichtgeschwindigkeit um den großen Riesen. Das ist enorm schnell. Bei dieser superschnellen Rotation erhält das Licht, das in Richtung der Erde ausgestrahlt wird, einen relativistischen Boost (Doppler boost), der die periodische Helligkeitsänderung des Systems erklärt.

Mithilfe dieser relativistischen Effekte können die empfangenen Signale bzw. deren Periodizität erklärt werden. In unserem Alltag entspricht das dem visuellen Äquivalent einer heulenden Sirene, deren Ton höher und lauter wird, wenn sie sich in Richtung des Beobachters bewegt bzw. tiefer und leiser, wenn sich von ihm wegbewegt.

Im Fall des Quasars stammt das Licht von der Akkretionsscheibe aus Gas. Die Helligkeit des Quasars erreicht ihr Maximum, wenn das Licht des Gases, das von dem kleineren Partner konsumiert wird, in Richtung der Erde zeigt - wie bei einem Leuchtturm.

Kollisionskurs
Die Wissenschaftler sind sich uneinig, ob sich derart riesige und massereiche Objekte überhaupt näher kommen können als etwa 3 Lichtjahre - das entspricht etwa der Entfernung der Sonne zu dem nächsten Stern.

Falls die Bahnperiode der beiden supermassiven Schwarzen Löcher dieser gemessenen optischen Periode entspricht, wären sie unter der Annahme, dass die Masse des Duos im typischen Bereich supermasssereicher Schwarzer Löcher liegt, nur etwa 0,02-0,05 Lichtjahre voneinander entfernt. Das entspricht etwa 1.200-3.000 Astronomische Einheiten [1]. In einen Bereich dieser Größe paßt unser Sonnensystem mitsamt der Oortschen Komentenwolke [1] locker hinein.

Die neue Analyse [2] basiert auf der Amplitude und der sinusartigen Variabilität [1] (Abb. 3) von PG. Die Lichtkurve kann mit relativistischen Effekten der Emission eines kompakten, stetig Masse akkretierenden Doppelsystem supermassereicher Schwarzer Löcher ungleicher Masse modelliert werden. Dabei soll die Vorhersage relativ unempfindlich gegenüber den Details der Emission aus dem PG-System sein und ist mit alten UV-Messungen konsistent.

Einige der Beobachtungen sind nicht zu erklären, wenn es sich nur um ein einzelnes supermassereiches Schwarzes Loch handeln würde.

duo

Abb. 3 Darstellung der sinusartigen Signale von PG 1302-102.
Die grau gefüllten Kreise entsprechen den optischen Daten, denen eine gerechnete Sinuskurve überlagert ist (rote, gestrichelte Kurve). Die schwarze durchgezogene Linie entspricht der relativistisch gerechneten Lichtkurve. Die blau gestrichelte Kurve entspricht einer Simulation mit einem ungleichen Paar supermassereicher Schwarzer Löcher. Die roten und blauen gefüllten Kreise entsprechen den ultravioletten Beobachtungen. Die roten und blauen gepunkteten Kurven entsprechen den relativistischen optischen Lichtkurven, die die ultravioletten Beobachtungen widerspiegeln. © [2]

 

Gravitationswellen
Bereits vor der Kollision der beiden Giganten im PG-System würden sog. Gravitationswellen [1] - Störungen im Raumzeitgefüge [1] bzw. kosmische Verwerfungen der Raumzeit (Abb. 4) - meßbar; eine Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie [1] Albert Einsteins [1].

Bisher konnten Gravitationswellen - eine Art gravitative Vibrationen - noch nicht gemessen werden. Eine Messung würde zu unserem Verständnis der Schwerkraft [1] beitragen und Einsteins Vorhersage in einer extremen intergalaktischen Umgebung testen.

duo

Abb. 4 Modell zweier verschmelzender Schwarzer Löcher, die Gravitationswellen
aussenden. Diese machen sich als Vibrationen der Raumzeit bemerkbar.
© NASA/Blueshift/Flickr


Nach dem neuen Modell [2] sollten die Schwarzen Löcher in einem Abstand von weniger als einem Zehntel Lichtjahr umeinander kreisen und durch die Abstrahlung von Gravitationsstrahlung schnell Energie verlieren und daher in weniger als 100.000 Jahren ineinander spiralen - abhängig von ihrer tatsächlichen Masse. Je massereicher die beiden Schwarzen Löcher sind, desto schneller sorgt der Energieverlust durch Gravitationswellen für eine Kollision der beiden Objekte.

Da das PG-System so weit von uns entfernt ist, könnte die Todesspirale bereits im Gange bzw. vorüber sein. Ob dem so ist, werden wir erst in rund 100.000 Jahren erfahren.

Energie der möglichen Kollision
Ein ideales Ereignis, bei dem Gravitationswellen ausgesendet werden, die man auf der Erde messen könnte, sind Kollisionen Schwarzer Löcher. Allerdings sind die erdgebundenen Detektoren hierfür noch nicht empfindlich genug. Die Forscher schätzen, dass entsprechende Detektoren in etwa 10 Jahren zur Verfügung stehen werden. Dann könnten die beiden kollidierenden Giganten ihren besonderen Tag haben.

Im Fall des PG-Systems ist gemäß der Berechnungen bei einem Zusammenstoß der Giganten etwa so viel Energie zu erwarten wie sie etwa 100 Millionen Supernovae [1] entspricht, wovon ein Großteil als Gravitationswellen abgestrahlt werden würde. Das würde die den supermassereichen Schwarzen Löchern benachbarten Sterne aus dem Zentrum des PG-Systems herausschleudern - wie Ziegel von einem Dach.

Die Forscher könnten aus der Analyse der bei einem derartigen Ereignis entstehenden Gravitationswellen lernen wie Galaxien bzw. massereiche Objekte verschmelzen. 

Alternativen
Allerdings ist ein Duo aus supermassereichen Schwarzen Löchern nicht die einzige Erklärung für das seltsame Verhalten von PG. Alternativ könnte die Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch stark deformiert bzw. verformt sein oder einen sog. hot spot [1] enthalten, der für die Aussendung des periodischen sinusartigen Signals (Abb. 3) verantwortlich ist.

Aussichten
Falls weitere Paare dieser supermassereichen Schwarzen Löcher entdeckt werden, bestünde eine (theoretische) Chance, dass wir innerhalb der nächsten Jahrzehnte tatsächlich eine derartige Megakollision beobachten können. 

duo

Abb. 5 Künstlerische Darstellung zweier verschmelzender Schwarzer Löcher, die die sieumgebende Materie aus heißem Gas verwirbeln und zum Leuchten anregen. © NASA


Da die Mehrheit der großen Galaxien [1] ein zentrales Schwarzes Loch besitzt und Galaxien oft miteinander verschmelzen, glauben die Wissenschaftler, dass ihr Auftreten in Paaren ebenfalls öfter vorkommt.

Falls weitere dieser Paare Schwarzer Löcher entdeckt werden, könnten die Wissenschaftler nicht nur Zeuge einer Kollision werden, sondern möglicherweise erstmals die Gravitationswellen entdecken. Das wäre eine sensationelle Bestätigung der Allgemeinen Relativitätstheorie.

 

Falls Sie Fragen und/oder Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Information über astronomische und physikalische Begriffe
www.wikipedia.de


[2] D'Orazio, D. J., et al., Nature (17 September 2015)

 

 

zurück