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Kein „Mann im Mond“?

Welcher Mechanismus verursachte die großräumigen Stukturen auf der Mondoberfläche, die wir beispielsweise als „Mann im Mond“ deuten?

Asteroiden, die Überbleibsel aus der Frühphase der Entstehung des Sonnensystems, haben sicherlich eine wichtige Rolle dabei gespielt, dass der Mond so aussieht wie er aussieht. Bisher gingen die Forscher davon aus, dass Asteroiden eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Entstehung der heute sichtbaren großskaligen Strukturen unseres Trabanten gespielt haben, und der Mond seit rund 3 Milliarden Jahren inaktiv ist.

Jedoch bezweifelten einige Forscher, dass diese Theorie ebenso für den Oceanus Procellarum [1] gültig ist: der „Ozean der Stürme“ (Abb. 1a) sieht „anders“ aus als die übrigen großen dunklen Bassins der Mondoberfläche.
Seine Form ähnelt eher einem Hufeisen, während die anderen Bassins eher rund erscheinen. Im Ozean der Stürme fehlen zudem das Bassin umgebende Bergstrukturen wie sie für Einschlagsgebiete üblich sind.

Bisher erklärte man das Aussehen des Ozeans der Stürme gegenüber anderen, für Einschläge typischen Strukturen durch das höhere Alter der Struktur und die Erosion der (heutigen fehlenden) Randgebiete.

Neue Forschungsergebnisse
Die Ergebnisse neuer Forschungen [2], die in der letzten Woche im Fachblatt Nature veröffentlicht wurden, scheinen diese Theorie – zumindest für den Oceanus Procellarum – endgültig umzuwerfen:
Die neuen Daten weisen zwingend darauf hin, dass eine der größten Strukturen auf dem Mond, der Oceanus Procellarum, nicht durch einen enormen Einschlag entstand, sondern vielmehr aufgrund einer Reihe von vulkanischen Aktivitäten in diesem Gebiet.

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Abb. 1a Anblick des Oceanus Procellarum bei Vollmond (roter Kreis). 
© wikipedia.de

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Abb. 1b Schematische Darstellung der Mondmaria am Vollmond. 
© NASA/JPL

 

Der „Ozean der Stürme“ kann bereits mit bloßem Auge beobachtet werden (Abb. 1a). Dabei handelt es sich um ein riesiges flaches, dunkel erscheinendes Gebiet im Nordwesten der uns zugewandten Mondoberfläche (Abb. 1b). Charakteristisch für dieses Gebiet sind die geringen Höhen einzelner Strukturen, eine dünne Mondkruste und die hohe Konzentration (durch radioaktiven Zerfall) Wärme erzeugender chemischer Elementen wie Uran (U), Thorium (Th)  und Kalium (K) [1].

Das Gebiet des Oceanus Procellarum ist Teil des sog. „Mannes im Mond“, den viele Menschen im Mond zu sehen glauben. Der Durchmesser des Ozeans der Stürme beträgt etwa 3.200 Kilometer. Es ist das größte „Mondmeer“ des Mondes und so breit wie der HighTech-Zaun zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Mexiko.

Nach der bisher gültigen Theorie zur Entstehung der Mondmaria hat sich das Meer der Stürme vor rund 3,5 Milliarden Jahren gebildet und wurde danach durch zahlreiche Einschläge geformt. Auch aufgrund seiner Form und immensen Größe waren die Forscher der Auffassung, es sei aufgrund eines riesigen Einschlags (eines Asteroiden) entstanden. Dabei sei die Mondkruste aufgebrochen und Magma ausgetreten. Dadurch wurden die riesigen Ebenen des Mondes erzeugt.

GRAIL – der „Gral“ des Mondes?
Im Jahr 2012 umrundeten zwei NASA-Sonden („Ebbe“ und „Flut“) der GRAIL-Mission (Gravity Recovery and Interior Laboratory) [1] den Mond. Während einer Zeitdauer von zwölf Monaten untersuchten die Sonden aus einer Höhe von rund 55 Kilometern das Schwerefeld des Mondes. Die Auswertung eines Teils der gesammelten Daten ergab nun, dass der Mond keineswegs so homogen ist wie er am Himmel erscheint:

Vielmehr ist der Mond eher „gestückelt“ und besitzt unterhalb seiner Oberfläche Gebiete mit höherer und niedrigerer Dichte. Diese Dichteunterschiede entsprechen höherer und niedrigerer Schwerkraft. Durch die Unterschiede in der Anziehung des Mondes auf die GRAIL-Sonden wurden die Sonden entsprechend jeweils leicht beschleunigt oder abgebremst, wodurch die Dichte des jeweiligen Gebietes (unterhalb der Sonden) bestimmt werden konnte.

Die Kombination der Schwerkraftmessungen mit topographischen Daten des Mondes erlaubt Schlussfolgerungen in Bezug auf die Bildung und Entwicklung des Mondes (Abb. 2).

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Abb. 2 Topographische Karte des Mondes.
(Falschfarbenaufnahme: niedrige Gebiete sind pink eingefärbt, hohe Gebiete rötlich.)
Im Bereich des Oceanus Procellarum sind deutlich sehr niedrige Strukturen sichtbar.
Daten: Lunar Reconnaissance Orbiter, Lunar Orbiting Laster Altimeter [1]
© Jay Dickson/Brown University

 

Das Ergebnis der GRAIL-Messungen erstaunt die Fachwelt:
im Bereich des Oceanus Procellarum existiert eine Serie langer, schmaler Strukturen, die Grabenstrukturen ähneln (Abb. 3). Sie zeigen Gebiete auf der Mondoberfläche, in denen die Mondkruste dünner und das prähistorische Magma (nach einem Vulkanausbruch) ausgetreten ist. Die Prozesse, die zum heutigen Aussehen des Oceanus Procellarum führten, haben ihre Ursache in der geochemischen Zusammensetzung der Mondkruste in dieser Region.

Die gefundenen Strukturen bilden ein Fünfeck, dessen Ränder den Ozean der Stürme eingrenzen (Abb. 3). Von einem Einschlagkrater (gemäß der alten Theorie) erwartet man nicht, dass er Ecken und Kanten – wie man sie nun beobachtet hat – besitzt.

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Abb. 3 Anblick der mit GRAIL neu gefundenen Strukturen
(rote Markierungen) im Oceanus Procellarum.
© Kopernik Obs./NASA/Colorado School of Mines/MIT/JPL/Goddard
Space Flight Center

 

Aufgrund der neuen Ergebnisse muss die Entstehung des Ozeans der Stürme neu geschrieben werden: anstelle eines einzelnen großes Einschlags bildeten sich durch die frühe vulkanische Aktivität des Mondes bis zu 150 Kilometer breite und 2-6 Kilometer tiefe Gräben, durch die wahrscheinlich Magma(ströme) „bergab“ in Richtung des Inneren des Fünfeckes geflossen ist.

Möglicherweise hat das Gewicht der fließenden Lava die Mondkruste komprimiert und „nach unten“ gedrückt, die Gräben geschlossen bzw. die Lavaströme gestoppt. Anschließend sank vor 3 Milliarden Jahren die Temperatur um mindestens 600 Grad, die Lava-Ebenen kühlten aus, kontrahierten und brachen schließlich auseinander. Übrig blieben die dunklen Maria, die man am aufgehenden Vollmond besonders gut in ihrer Gesamtheit beobachten kann.

Die Dimensionen der damaligen Magma-Eruptionen sind gigantisch: Stellen Sie sich einen Lava-Ausbruch, der so groß war, dass er 2,5 Millionen Quadratkilometer der Mondoberfläche geflutet hat. Diese Fläche entspricht einem Viertel der Vereinigten Staaten von Amerika!!!

So lief es ab
Die Forscher gehen davon aus, dass der Mond in seiner frühen Geschichte sogar vollständig mit geschmolzenem Magma überzogen war, das bei seiner Abkühlung die Mondkruste gebildet hat. Die im Oceanus Procellarum gefundene hohe Konzentration radioaktiver Elemente sorgte für die Kühlung des Bassins. Nach der Abkühlung der Oberfläche verfestigte sich die Mondkruste, schrumpfte bei der weiteren Abkühlung und setzte sich von der das Gebiet umgebenden Mondkruste ab. Dabei entstanden die großen Gräben, die man mithilfe von GRAIL gefunden hat. Anschließend floss (erneut) Magma in die Gräben und flutete die Region. So erlangte sie ihr heutiges dunkles, flaches Aussehen. [5]

Fest steht, dass der Mond bereits während seiner frühen Entstehung eine tektonische und vulkanische Aktivität zeigte, die üblicherweise bei größeren Planeten erwartet wird. Der junge Mond war ein dynamischer Ort, ähnlich dem Saturnmond Enceladus [1], der Wasser durch die Spalten seines Oberflächeneises ausspuckt.

Unklar ist jedoch, weshalb man diese Strukturen bisher lediglich im Bereich des Oceanus Procellarum gefunden hat. Ebenso unverstanden sind Messungen überschüssiger Mengen radioaktiven Materials lediglich auf der uns zugewandten Seite des Mondes*.

Kritik
Kritiker wie der japanische Forscher Nakamura sind nicht davon überzeugt, dass die Einschlagstheorie für die Bildung ders Oceanus Procellarum gestorben sein soll. Im Jahr 2012 veröffentlichten Nakamura und seine Kollegen einen Aufsatz, in dem die Messung des Minerals Pyroxen [1] im gleichen Gebiet als Beweis für die Einschlagstheorie herangezogen wird.
Dieses Mineral wurde bereits in anderen Becken auf der Mondoberfläche gefunden, die durch Einschläge von Asteroiden entstanden sind. Nakamura bezweifelt ebenso die „eckige Form“ der neu gefundenen Strukturen im gesamten Procellarum-Bassin; für Nakamura sind die Strukturen nach wie vor „rund“.

Immerhin scheint Nakamura Recht zu haben, was den Ursprung anderer großer Maria auf dem Mond betrifft: das Mare Serenitatis und das Mare Imbrium [1] entstanden wahrscheinlich tatsächlich durch Einschläge von Asteroiden. Diese Einschlagbassins haben sich später mit vulkanischer Lava gefüllt. Wahrscheinlich ist es bei deren Abkühlung zur Bildung der dunklen Maria gekommen. Bodenproben der Apollo-Missionen [1] bestätigten diese Theorie [5].

Oder doch nicht?
Eine Bestätigung des vulkanischen Ursprungs des Oceanus Procellarum kommt von chinesischen Forschern, die für ihre Theorie neben den GRAIL-Daten Messungen des Lunar Reconnaissance Orbiters (LRO) [1] verwendeten: mithilfe der LRO-Daten wurde bereits die Existenz von acht großen vulkanischen Komplexen auf der uns zugewandten Mondseite vorhergesagt [4]; dabei sollen sich sechs dieser Strukturen innerhalb des Oceanus Procellarum und zwei im Mare Tranquilitatis [1] befinden.

Der Mond ist kein langweiliger Trabant und noch immer für Überraschungen gut.

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information zu astronomischen und physikalischen Begriffen unter
www.wikipedia.de

[2] 
Andrews-Hanna, J. C., et al., Nature 514, 68-71 (2014)
Andrews-Hanna, J. C., et al., 45th Lunar and Planetary Science Conference (2014)

[3] Huang, Q., et al., 45th Lunar and Planetary Science Conference (2014)

[4] Spudis, P. D., et al., JGR-Planets 118, 1063-1081 (2013)

[5] Meldung der Brown University
https://news.brown.edu

 

* Man geht davon aus, dass der radioaktive Zerfall dieser Elemente in der Frühphase des Mondes für eine erhebliche Erwärmung gesorgt hat und diese Wärme später durch die austretenden Lavaströme abgeleitet wurde. Dies führte zu einer Abkühlung des Mondes.

 

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