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Die längste Struktur des Universums

Das Mysterium der größten bekannten Struktur des Universums: der sog. Kalte Fleck [1] bzw die Eridanus-Superlücke [1] beschäftigen die Astronomen bereits seit Jahren.

Der Kalte Fleck
Bei dem Kalten Fleck (Cold Spot) handelt es sich um eine ungewöhnlich kühle Region am Himmel (Abb. 1). Das Auffinden dieser ungewöhnlichen Struktur gelang erstmals im Jahr 2004 mithilfe des NASA-Satelliten WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe) [1], der die sog. kosmische Hintergrundstrahlung [1], das Nachglühen des Urknalls [1], vermaß.

Im Radiobereich wurde die Existenz dieser Struktur im Jahr 2007 bestätigt. Die Beobachtungen des ESA-Satelliten PLANCK [1] bestätigen ebenfalls die Existenz und die Position des Kalten Flecks.

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Abb. 1 Der Kalte Fleck der kosmischen Hintergrundstrahlung des Universums.
Links: Entdeckungsaufnahme der WMAP-Sonde im Jahr 2004.
Rechts: Aufnahme des PLANCK-Satelliten im Jahr 2013.
Der Kalte Fleck unterscheidet in Bezug auf seine Temperatur deutlich von seiner
Umgebung. (Blau: niedrigere Temperaturen, rot: höhere Temperaturen)
© NASA/WMAP - © ESA/PLANCK

 

Die Bezeichnung "kalt" erhielt die Struktur, da sie gegenüber der durchschnittlichen Temperatur des Universums (rund 2,7 Kelvin [K] [1] bzw.
-270 Grad Celsius) "wärmer" ist als eine typische Temperaturschwankung der HIntergrundstrahlung.

Die durchschnittliche Temperatur des Universums ist extrem gleichmäßig - sieht man von Objekten wie Galaxien [1] etc. ab. Die Temperaturdifferenz des Kalten Flecks zur mittleren Temperatur des Universums beträgt etwa 70 Mikro-Kelvin (µK). Das ist für eine Abweichung sehr viel.

Die Anwesenheit eines kühlen Flecks in der Hintergrundstrahlung ist nichts Ungewöhnliches, daher hielt man den Kalten Fleck zunächst für einen Meßfehler, danach für eine normale Abweichung.
Die Urknalltheorie [1] sagt für das frühe Universum die Existenz von wärmeren und kühleren Flecken unterschiedlicher Größe in der Hintergrundstrahlung voraus. Allerdings sagt die Theorie des frühen Universums keinen derart großen und kühlen Kalten Fleck vorher.

Erklärungsversuche
Wie kann man die Bildung bzw. die Existenz des Kalten Flecks erklären?
Das junge Universum war Hunderttausende von Jahren nach seiner Entstehung eine heiße, dichte Suppe aus kleinsten Teilchen wie Protonen [1], Elektronen [1] und Photonen (Lichtteilchen) [1]. Die Durchschnittstemperatur des Universums betrug zu dieser Zeit rund 2.700 K. Damit war es jedoch kühl genug, damit sich aus den zahlreichen Protonen und Elektronen Wasserstoffatome (H) [1] bilden konnten. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Universum durchsichtig: die Photonen konnten sich frei darin bewegen.

Inzwischen ist das Universum weiter abgekühlt, seine Temperatur beträgt rund 2,7 K. Wenn wir vom Nachglühen des Universums sprechen, sehen wir bzw. Raumsonden wie WMAP oder PLANCK das Universum bzw. dessen ausgesendetes Licht aus dieser Entwicklungsphase.

Das Universum scheint zu diesem frühen Zeitpunkt nach dem Urknall gleichmäßiger und einfacher gewesen zu sein als heute, jedoch sind die Forscher durch die Existenz großer Anomalien wie dem Kalten Fleck irritiert. Möglicherweise berichten diese Strukturen von fundamentalen Vorgängen aus dieser Zeit, jedoch wissen wir bisher nicht, wie sie zustande gekommen sind.

Die Existenz der anomalen Struktur des Kalten Flecks hat bereits zu zahlreichen Erklärungsversuchen geführt, beispielsweise eine sog. kosmische Textur [1], eine riesige Lücke entlang dieser Blickrichtung oder eine seltene Fluktuation oder eine Kombination aus diesen Möglichkeiten. Andere Forscher interpretieren die Anomalie mit der Existenz eines Parallel-Universums [1].

Eine Superlücke im Universum
Ein möglicher Erklärungsversuch des Kalten Flecks ist ein riesiger Leerraum im Universum, eine Superlücke (supervoid). Lücken im Universum sind nichts Besonderes. In diesen Lücken befinden sich kaum oder nur wenige Objekte -wie beispielsweise Galaxien. Die Wissenschaftler kennen inzwischen zahlreiche dieser Objekte.

Superlücken sind jedoch etwas ganz Besonderes: die Passage durch eine Superlücke würde mehrere Millionen Jahre dauern, selbst wenn man mit Lichtgeschwindigkeit [1] fliegen würde.

Die sog. Eridanus-Superlücke (die "Große Lücke", Great Void) im Sternbild Eridanus (Eri) fällt mit der Position des Kalten Flecks (der Hintergrundstrahlung) zusammen. Das Sternbild Eridanus gehört zu den ausgedehntesten Sternbildern am Himmel. Es befindet sich unterhalb des Sternbilds Orion (Ori) und zieht sich bis in den Südhimmel hinein.

Neue Ideen
Neue Simulationen eines Forscherteams um Istvan Szapudi von der Universität von Hawaii [1] können die Existenz des Kalten Fleckes angeblich erklären [2, 3]. Das Team hatte diese Struktur im Jahr 2013 und 2014 bereits ausgiebig untersucht. Szapudi bezeichnet sie als die größte individuelle existierende Struktur des Universums.

Falls der Kalte Fleck seinen Ursprung im Urknall selbst hat, so die Forscher, könnte er ein Beweis für eine exotische Physik [1] sein, die das sog. Standardmodell des Universums [1] nicht erklären kann. Ergebnisse aus anderen physikalischen Bereichen deuten ebenfalls auf diese Möglichkeit hin.

Wenn es sich bei dem Kalten Fleck jedoch um eine Struktur im Vordergrund - zwischen uns und der Entstehung der Hintergrundstrahlung - handelt, wäre das eher ein Hinweis auf die Existenz einer extrem seltenen großräumigen Struktur in der Masseverteilung des Universums. Diesen Befund müßten die physikalischen Theorien erst einmal erklären.

Die Beobachtungen

Die Wissenschaftler nutzten zur Entdeckung der riesigen Struktur optische Beobachtungen des Pan-STARRS1-Teleskops [1] auf Hawaii - mit dem bereits zahlreiche neue Kometen entdeckt wurden - sowie Infrarot-Beobachtungen  [1] des WISE-Satelliten (Wide-Field Infrared Survey Explorer) [1] der NASA (Abb. 2).

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Abb. 2 Der Kalte Fleck der kosmischen Hintergrundstrahlung des Universums
(rechts unten) im Vergleich zu unsem Mond (Moon) und der Andromeda-Galaxie (M31)
in der Bildmitte. Oben finden sich die Beobachtungen des PanSTARRS-Teleskops
und des PLANCK-Satelliten. In beiden Wellenlängenbereichen macht sich der
Kalte Fleck als kühle zusammenhängende Struktur (blau) bemerkbar.
(Skala in der PanSTARRS-Aufnahme: 1 Milliarde Lichtjahre (1 Billion Light-Years).)
© NASA/WMAP - © ESA/PLANCK

 

Die Forscher konnten mithilfe der neuen Daten die Positionen und Entfernungen sämtlicher auf ihren Aufnahmen befindlichen Galaxien (rund um die Lücke) ermitteln.

Demnach befindet sich die große Superlücke im Sternbild Eridanus in einer Entfernung von rund 3 Milliarden Lichtjahren [1]. Die Lücke umfasst einen Bereich von rund 30 Winkelgrad, in dieser Entfernung entspricht das einer Länge von rund 1,8 Milliarden Lichtjahren (s. Abb. 2). Im Bereich der Superlücke ist die Dichte der dort befindlichen Galaxien wesentlich geringer als im Durchschnitt. Zudem ist die Umgebung (der Superlücke) deutlich wärmer.

Mithilfe früherer Beobachtungen können die Forscher ausschließen, dass es sich bei der Struktur um ein entferntes (bekanntes) Objekt handelt.

Wie kann man sich die Existenz der Eridanus-Superlücke vorstellen?
Das Hügelmodell
Stellen Sie sich eine riesige Lücke vor, die sich zwischen der Erde und dem frühen Universum befindet. Ansonsten befindet sich keine bzw. wenig Materie zwischen uns und dem Objekt. Stellen Sie sich die Lücke als Hügel vor. Wenn Licht aus dem frühen Universum in Richtung der Erde läuft, muss es diesen Hügel erklimmen und auf der anderen Seite wieder hinunter gelangen.

ohne ein beschleunigtes Universum
Falls sich das Universum nicht beschleunigt ausdehnen würde, würde sich die Superlücke nicht wesentlich entwickeln: im Hügelmodell würde sich das Licht zunächst den Hügel hinauf und danach den Hügel hinunter bewegen und beim Austritt aus der Superlücke Energie verlieren.
mit einem beschleunigtem Universum
Wir wissen jedoch, dass die Ausdehnung des Universums seit rund 7 Milliarden Jahren beschleunigt verläuft. Im Hügelmodell bedeutet das, der Hügel wird gestreckt, während das Licht sich auf ihm hinauf und hinunter bewegt. Wenn sich das Licht den Hügel hinunter bewegt, ist der Hügel flacher als vorher.
Das Licht verläßt die Superlücke mit weniger Energie und besitzt eine größere Wellenlänge [1] (als im ersten Fall), das entspricht einer niedrigeren Temperatur. Das Gebiet erscheint kühler.

Die Existenz der Eridanus-Superlücke bzw. ihre Simulation in der Hintergrundstrahlung kann den beobachteten Kalten Fleck jedoch nicht vollständig erklären. Den Forscher erscheint es allerdings unwahrscheinlich, dass es sich bei der Position der Superlücke und des Kalten Flecks nur um eine bloße Koinzidenz handelt. Sie glauben an die reale Existenz der Struktur.

Immerhin konnten die Wissenschaftler bestätigen, dass es sich bei dem Kalten Fleck bzw. der Eridanus-Superlücke um die größte individuelle Struktur des Universums handelt. Allerdings bleibt die Frage, wie eine derart riesige Struktur entstehen und stabil bleiben konnte.

Eine weitere Lücke?
Inzwischen wurde mithilfe des Galaxien-Katalogs WISE-2MASS (Two Micron All Sky Survey) [1] eine neue große Lücke im Universum entdeckt, die sich ebenfalls in Richtung des Kalten Flecks (im Sternbild Drache (Dra) [1]) zu befinden scheint. Obwohl diese Lücke ebenfalls groß zu sein scheint, besitzt sie eine weniger deutliche Temperaturanomalie als der Kalte Fleck. Die Draco-Superlücke scheint näher am Kalten Fleck zu liegen, ist allerdings kleiner als die Eridanus-Superlücke.

Nun hoffen die Forscher auf die Entdeckung weiterer Lücken im Universum, die bestätigen, dass das Standardmodell des Urknalls unvollständig ist.

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information über astronomische Begriffe
www.wikipedia.de

[2] Szapudi, I., et al., MNRAS 450 (1), 288-294 (2015)

[3] Szapudi, I., et al., Proceedings of the Moriond Cosmology Conference 2014

[4] Nadathur, S., et al., Phys. Rev. D 90, 103510 (2014)

 

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