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Rätselhafte Entfernung des Siebengestirns [30. Aug.]

Die Plejaden – auch als Siebengestirn oder Sieben Schwestern bezeichnet – befinden sich im Wintersternbild Stier (Tau) [Abb. 1 und 1a]. Der offene Sternhaufen mit der Bezeichnung Messier 45 (M45) [1] kann bereits mit dem bloßen Auge oder einem Fernglas beobachtet werden. Die Sterne eines offenen Sternhaufens besitzen die gleiche Entfernung zur Erde; sie sind nahezu gleichzeitig entstanden und bewegen sich in die gleiche Richtung. Die Plejaden befinden sich innerhalb unserer Milchstraße.

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Abb. 1 Sternbild Stier mit den Hyaden [1] und den Plejaden (obere Bildmitte).
© Stellarium/yahw

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Abb. 1a  Plejaden © Frank Fürböck

 

Mit dem bloßen Auge sind entweder sechs oder acht Einzelsterne der Plejaden zu erkennen. Galileo Galilei [1] zählte mithilfe seines Fernrohrs bereits 36 Sterne. Mit modernen Instrumenten konnte man bereits im letzten Jahrhundert mehr als 500 Mitglieder des Sternhaufens erkennen, die über ein Gebiet von rund zwei Grad, dem vierfachen Durchmesser des Vollmondes, verteilt sind. (Abb. 2)

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Abb. 2   Detailansicht der Plejaden mit Sternnamen. © Stellarium/yahw

 

Die Plejaden in der Geschichte
Das Siebengestirn ist ein auffälliges Himmelsobjekt und wird in zahlreichen Kulturen erwähnt, wahrscheinlich haben sich bereits die Menschen in der Steinzeit dafür interessiert:

Unter den steinzeitlichen Malereien der Höhlen von Lascaux (Frankreich) [1] werden sechs Punkte als Darstellung der Plejaden interpretiert. Die früheste schriftliche Erwähnung der Plejaden findet sich in China und geht auf das Jahr 2357 v. Chr. zurück. Das Siebengestirn ist ebenfalls auf der ältesten uns bekannten Sternkarte, der Himmelsscheibe von Nebra [1], dargestellt.

Hesiod [1] erwähnte die Plejaden um 1000 v. Chr., Homer [1] beschreibt sie in seiner Odyssee [1], in der Bibel werden sie drei Mal erwähnt.
In der griechischen Mythologie entsprechen die Sieben Schwestern den sieben Töchtern des Atlas und der Pleione [1], die vom Himmelsjäger Orion [1] verfolgt werden. Die Römer nutzten bestimmte Stellungen des Sternhaufens am Himmel als Hinweis für die Bestellung ihrer Felder und den Beginn der Ernte.

Die Entfernung der Plejaden
In der Literatur findet man für die Plejaden unterschiedliche Entfernungsangaben; sie sind rund 400 Lichtjahre* von der Erde entfernt und gehören damit zu den Nachbarn der Sonne. (Vergleich: Das Zentrum der Milchstraße liegt mehr als 20.000 Lichtjahre von uns entfernt.)

Auf der Erde bestimmt man Entfernungen mit einem Lineal, einem Zollstock oder Meßrädern [1]; die Entfernung zum Mond kann man mithilfe von Lasern messen. Die direkte Entfernungsmessung kann in vielen Fällen jedoch nicht eingesetzt werden, insbesondere wenn sich das Objekt in größerer Distanz befindet.

Die Methode der Triangulation – beispielsweise mithilfe von Theodoliten - peilt das gewünschte Objekt von mindestens zwei unterschiedlichen Standorten an. Mithilfe des gemessenen Winkels und dem (bekannten) Abstand beider Standorte kann man die Entfernung des beobachteten Objektes bestimmen. Der Winkel ist umso kleiner, je weiter das Objekt vom Beobachter entfernt ist.

Die Methode der Triangulation wird zur astronomischen Entfernungsbestimmung naher Objekte benutzt: der benötigte Winkel, die sog. Parallaxe [1], entsteht durch die Veränderung der Blickrichtung zu einem astronomischen Objekt gegenüber dem Himmelshintergrund, der durch die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne hervorgerufen wird. Der Abstand der beiden Beobachtungsstandorte entspricht dem Erdbahndurchmesser.
Die Parallaxe kann für astronomische Objekte bis zu einem Abstand von rund 300 Lichtjahren bestimmt werden. Mithilfe moderner Methoden konnte der ESA-Satellit HIPPARCOS [1] die Parallaxe bzw. Entfernung von rund 100.000 Sternen bis zu Entfernungen von etwa 8.000 Lichtjahren bestimmen.

Die Entfernungsmessung weiter entfernter astronomischer Objekte ist alles andere als leicht und basiert auf den Ergebnissen der Methoden für Objekte mit geringerer Entfernung zur Erde. Die oben beschriebene Parallaxenmethode ist eine primäre Methode der Entfernungsbestimmung und dient als Eichung für modernere Messverfahren. Dabei setzen sich Fehler bzw. Ungenauigkeiten der primären Methoden in sekundären, darauf basierenden Methoden, fort. Die Distanz weit entfernter astronomischer Objekte wird umso ungenauer, je unsicherer die Ergebnisse der Primärmethoden sind.

HIPPARCOS
Im Jahr 1997 maß der Satellit HIPPARCOS die Entfernung von M45, den Plejaden, zu 120,2 pc (± 1,5 pc), das entspricht 392 Lichtjahren (± 4,9 Lj) [2, 4]. Erdgebundene Messungen hatten zuvor einen Wert von rund 435 Lichtjahren (133,5 pc ± 1,2 pc) ergeben. Die Differenz beider Messungen ist enorm und beträgt rund 40 Lichtjahre, das entspricht rund 130 Lichtjahren.

Die Plejaden stellen eine sehr wichtige Sprosse auf der Entfernungsleiter des Universums dar. Die Bestimmung ihrer genauen Entfernung ist von großer Bedeutung, zumal die Plejaden der der Erde am nächsten offene Sternhaufen seiner Art ist. Der Sternhaufen ist zudem ein Meilenstein für das Verständnis junger Sterne – wie die der Plejaden - wichtig. Ohne die Kenntnis ihrer Entfernung jedoch besitzen Parameter wie Helligkeit, Durchmesser und Alter von Sternen eine geminderte Bedeutung.

Aufgrund der Diskrepanz zwischen früheren Messungen und den HIPPARCOS-Ergebnissen versuchten Wissenschaftler des Caltech [1] im Jahr 2004 erneut ihr Glück, die Entfernung von M45 zu bestimmen [3]. Pan und seine Kollegen nutzen dabei die Tatsache, dass einer der hellsten Sterne des Haufens ein Doppelstern ist. In einem Doppelsternsystem umkreisen sich zwei Sterne in regelmäßigen Abständen. Aus den Bahndaten des Plejadensterns Atlas sowie dem 3. Keplerschen Gesetz [1] bestimmten die Forscher die Entfernung der Plejaden vor 10 Jahren zu 440 ± 7 Lichtjahren. Dieses Ergebnis entspricht den Messungen vor HIPPARCOS.

Die Debatte um die Bestimmung der Entfernung der Plejaden seit HIPPARCOS dauert nunmehr fast 20 Jahre. Insbesondere die Tatsache, dass eine der Brennstoffraketen beim Start des Satelliten ausfiel und HIPPARCOS in einen unvorhergesehenen stark elliptischen Orbit katapultierte, machte die Analyse der Daten problematisch. Laut der durch HIPPARCOS gemessenen Entfernung der Plejaden sind deren Sterne nicht nur näher, sondern auch leuchtschwächer und entsprechende Sternmodelle fehlerhaft.

Neue Messungen
In einer Veröffentlichung vom 28. August in der Fachzeitschrift Science [4] behaupten Radioastronomen unterschiedlicher Institute, die endgültig richtige Entfernung der Plejaden gemessen zu haben. Ihre Ergebnisse stehen im Widerspruch zu HIPPARCOS. Mellis und seine Kollegen nutzen zur neuen Entfernungsmessung 13 Radioteleskope eines interkontinentalen Netzwerks (3*), die die Plejaden sogar „schärfer“ sahen als das Hubble-Weltraumteleskop [1].

Die im Radiobereich gemessenen Parallaxen von vier Sternen der Plejaden (4*) ergeben eine Entfernung des Haufens von 444 ± 3 Lichtjahren (136,1 ± 1,0 pc). Somit wären die Sterne von M45 doch viel weiter entfernt von der Erde. Mit den neuen Ergebnissen betrachten die Wissenschaftler die Entfernungsdebatte um M45 als beendet.

Ein systematischer Fehler?
Die neuen Ergebnisse stimmen - bis auf die von HIPPARCOS - mit zahlreichen anderen Entfernungsbestimmungen überein. Der Messfehler von HIPPARCOS beträgt für ein Einzelobjekt mit einer Entfernung wie die der Plejaden rund 10 Prozent. Bei der Entfernungsbestimmung mithilfe des Mittelwerts für mehrere Plejadensterne erreichte der Satellit eine Genauigkeit von rund einem Prozent. Normalerweise würde man die fehlerhafte Entfernungsmessung durch HIPPARCOS als Messfehler abtun, jedoch hat HIPPARCOS die bisher beste vollständig astrometrische Himmelsdurchmusterung geliefert. Diese Messungen sind unabhängig von Sternmodellrechnungen, aus denen die Entfernung errechnet wird.

Wenn die HIPPARCOS-Messungen korrekt sind, so Melis, müssten die gegenwärtigen Sternentwicklungsmodelle junger Sterne geändert werden: Zur Übereinstimmung mit den Ergebnissen von HIPPARCOS sollten die Plejaden 20-40 % mehr Helium (He) enthalten [6], eine einschneidende Veränderung der Sternchemie gegenüber den bisherigen Modellen. Andere Messungen suggerieren jedoch, dass  junge Sterne (wie die der Plejaden) innerhalb der gesamten Milchstraße etwa die gleiche Helium-Häufigkeit besitzen. Außerdem erfordert die Anpassung der HIPPARCOS-Daten an die gültigen Sternentwicklungsmodelle der Plejaden eine bisher unbekannte Physik für diese Art Sterne; falls dies richtig ist, ändert sich unser grundlegendes Verständnis der Sternentstehung und -entwicklung für junge Sterne wie die der Plejaden.

Einer der an der Auswertung der HIPPARCOS-Daten beteiligter Wissenschaftler, Floor van Leeuwen, [5] ist jedoch anderer Meinung und betrachtet die neue Entfernungsbestimmung von nur vier Plejadensternen als nicht aussagekräftig. HIPPARCOS habe seinerzeit 53 Sterne des Haufens analysiert. Melis hält diesem Argument die große Präzession der neuen Daten entgegen.

Auch andere Astronomen zweifeln aufgrund der hochgradig elliptischen Bahn von HIPPARCOS an dessen Datengenauigkeit. Dabei ist die Korrektur für den Himmelsbereich der Plejaden besonders schwierig; die Parallaxe der Plejadensterne ist sehr klein und daher ebenfalls schwer zu bestimmen.

Unabhängig davon, ob man die HIPPARCOS-Daten für zuverlässig hält oder nicht, hoffen die Forscher auf die Ergebnisse des im Dezember 2013 gestarteten ESA-Satelliten GAIA [6], der aufgrund von Schwierigkeiten die Parallaxen von Millionen von Sternen erst seit Ende Juli misst.
Im Hinblick auf mögliche Fehler der HIPPARCOS-Daten befürchten Melis und seine Kollegen, dass sich diese auf die GAIA-Daten auswirken könnten, da beide Satelliten ein ähnliches Design aufweisen.

Innerhalb der Plejaden soll GAIA Hunderte Sterne vermessen. Leider werden wir erst in einigen Jahren erfahren, welches „Entfernungs-Lager“ Recht behält und wie weit M45 tatsächlich von der Erde entfernt ist.

Sollte sich dabei erweisen, dass HIPPARCOS allgemein zu geringe Entfernungen der Sterne gemessen hat, hätte dies tiefgreifende Folgen. Dann müsste nicht nur die Entfernung der Plejaden korrigiert werden.

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information zu astronomischen Begriffen unter
www.wikipedia.de

[2] Ergebnisse des HIPPARCOS-Satelliten
www.rssd.esa.int

[3] Pan, X., et al., Nature 427, 326-328 (2004)

[4] Melis, C., et al., A VLBI Resolution of the Pleiades Distance Controversy, Science, Aug 28, 2014 - www.sciencemag.com

[5] Mehr Information zum GAIA-Satellit der ESA
www.sci.esa.int/gaia/

[5] van Leeuwen, F., AA 11382 (2009)

[6] Miller, B., et al., PASP 125, 1297 (2013)

 

* Lichtjahr = Abkürzung Lj, astronomische Längeneinheit
   1 Lj = 9,461 Billionen Kilometer

** Parsec = Parallaxensekunde, Abkürzung pc, astronomische Längeneinheit
    1 pc = 3,26 Lj oder rund 30.856.776 Millionen Kilometer

3*  VLBI (Very Long Baseline Interferometry), VLBA (Very Long Baseline Array),
     Green Bank Teleskop, Effelsberg Radioteleskop, Gordon Telescope (Arecibo)

4*  HII 174, HII 625, HII 1136, HII 2147

 

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