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Anton Zeilingers „unsichtbare Katze“ – Quantenfotografie

Wie kann man eine „unsichtbare Katze“ sichtbar machen? Mithilfe einer neuen Methode der Teleportation gelang es einer Forschergruppe um Anton Zeilinger Nicht-Sichtbares schließlich sichtbar zu machen.

Anton Zeilinger und Quantenteleportation
Der österreichische Physiker Anton Zeilinger der Universität Wien [1] beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Phänomenen der Quantenphysik [2]. Seine Experimente zur Quantenteleportation [2], der berührungsfreien Informationsübertragung mithilfe kleinster Teilchen, machten ihn international bekannt und trugen ihm den Spitznamen „Mr Beam“ ein. Zeilinger sucht seit Jahren nach einer Möglichkeit, Information von einem Ort an einen anderen zu zu teleportieren und hat dies mehrfach erfolgreich bewiesen. Für seine bahnbrechenden Arbeiten zu den Grundlagen der Quantenphysik erhielt Zeilinger im Jahr 2008 die erste Isaac-Newton Medaille des Institute of Physics (IOP) [3]. Zeilinger arbeitet außerdem daran, wichtige Nachrichten absolut abhörsicher von A nach B zu transportieren.

Was ist Quantenverschränkung?
Innerhalb der Quantenphysik ist der Begriff der „Information“ von entscheidender Bedeutung. Bei der Quantenteleportation übermittelt ein Quant einen Zustand auf ein anderes Quant. Dabei wird lediglich „klassische Information“ übertragen. Diese Teleportation erfordert es, dass die am Prozess beteiligten kleinsten Teilchen, die Quanten, verschränkt sind.

Durch die Quantenverschränkung werden zwei Lichtteilchen (Photonen) so miteinander verbunden, dass sie einen gemeinsamen Quantenzustand einnehmen. Die so miteinander - zunächst untrennbar verbundenen Quanten – weisen bei der anschließenden Messung die gleichen Eigenschaften auf, sie sind korreliert: misst man die Eigenschaften des einen Teilchens (A), besitzt das andere Teilchen (B) instantan (ohne Verzögerung) die gleichen Eigenschaften, so als ob es wüsste, welche Eigenschaft Teilchen A besitzt. Dabei bedeuten „instantan“ oder „sofort“, dass kein physikalisches Signal zwischen beiden Standorten der Teilchen A und B „laufen“ kann.

Die Quantenverschränkung der im Experiment beteiligten Teilchen ist Grundvoraussetzung für die Teleportation und trägt zur Informationsübertragung über weite Strecken bei. Dabei bewirkt der Prozess der Teleportation die Erstellung einer exakten „Kopie“ eines Quantensystems an einen anderen entfernten Ort und nutzt die Eigenschaften der verschränkten Quantenzustände aus. Sämtliche Eigenschaften des originalen Quantensystems werden informationslos (in Nullzeit) übertragen. Dabei wird die Information eines Quantensystems nicht kopiert, sondern vollständig übertragen. Das entfernte Teilchen B wird durch das Teilchen A „beeinflusst“, unabhängig davon wie weit beide Teilchen voneinander entfernt sind.
Wird ein drittes Photon (C) „teleportiert“, d.h. es erfolgt eine Wechselwirkung des Photons C mit einem der verschränkten Photonen, beispielsweise dem Photon (A), wird das zweite verschränkte, weit entfernte Photon (B) verändert.

Teleportation - Spukhafte Fernwirkung?
Die Grundannahme der Einsteinschen Relativitätstheorie „Information kann nicht mit Überlichtgeschwindigkeit übertragen werden“ wird durch die Teleportation nicht verletzt, das Prinzip von Ursache und Wirkung (Kausalität) bleibt gültig.

Albert Einstein hatte die Eigenschaften der Quantenverschränkung bereits 1930 entdeckt; er bezeichnete sie als „spukhafte Fernwirkung“ (spooky action-at-a-distance). Zusammen mit seinen Kollegen Podolsky und Rosen wollte Einstein die Unvollständigkeit der quantenmechanischen Beschreibung der physikalischen Wirklichkeit beweisen; dies führte zu dem Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon (EPR-Paradoxon). Das oben beschriebene Photonen-Paradoxon ist äquivalent zu dem EPR-Paradoxon.

Experimente zur Teleportation
Die Idee der praktischen Anwendung der Teleportation geht bereits auf das Jahr 1993 zurück als Physiker des IBM Research Center [2] in New York über die Realisierung des Effektes nachdachten. Bereits im Jahr 1997 war es Physikern um Zeilinger sowie italienischen Kollegen geglückt, eine Eigenschaft von Quanten von einem an das andere Ende eines Labortischs zu teleportieren.

Bereits sechs Jahre später, im Jahr 2003 konnten Physiker der Universität Genf [2] Zustände von Quanten mithilfe von Glasfasern über eine Strecke von zwei Kilometern „beamen“. Zeilinger erreichte im Jahr 2004 eine Teleportation über 500 Meter, dieses Mal ohne Glasfasern. Im Jahr 2012 konnten chinesische Forscher eine Teleportation über eine Strecke von 16 Kilometern erfolgreich durchführen [4].

Großes Aufsehen erregten Zeilinger und seine Kollegen als sie im Jahr 2012 eine Teleportation zwischen den Kanareninseln La Palma und Teneriffa über 144 Kilometer erreichten. Die Übertragung erfolgte mit zwei Teleskopen, die sich jeweils den Inseln befinden.

„Quantenfotografie“
Anton Zeilinger forscht auch in „andere Richtungen“ der Quantenphysik, beispielsweise der Quantenabbildung (quantum imaging). Dabei spielen Begriffe wie Interferenz [2] eine wichtige Rolle.

Normalerweise bildet man einen Gegenstand ab, indem man ihn mit Licht bestrahlt und anschließend die von ihm kommenden Lichtquanten oder Photonen mit einer Kamera auffängt. Nicht so in Zeilingers Quantenfotografie.

Bei der Überlagerung von Wellen beschreibt der Effekt der Interferenz die Änderung der Amplitude von Wellen. Dabei gilt das Superpositionsprinzip [2]: bei der Überlagerung von Wellen addieren sich ihre Auslenkungen (Amplituden).

Aus Ihrem Physikunterricht in der Schule kennen Sie sicherlich die Begriffe konstruktive Interferenz und destruktive Interferenz. Überlagert man Lichtwellen und betrachtet sich deren Interferenzmuster, verstärken sich die Wellen (hellere Bereiche) oder werden abgeschwächt (dunklere Bereiche).

Innerhalb der Quantenmechanik schreibt man Materieteilchen Welleneigenschaften zu; allerdings entstehen bei deren Interferenz keine Überlagerungsmuster (helle und dunkle Bereiche) wie in der klassischen Physik, sondern es ergeben sich Bereiche, in denen sich mehr oder weniger Teilchen befinden.

Quanteninterferenz findet nur statt, wenn keinerlei Information existiert, die eine Unterscheidung der sich überlagernden Quantenzustände zulässt. Anders gesagt: Teilt man einen Laserstrahl auf, tritt Interferenz nur dann auf, wenn man dem später zusammengefügten Laserstrahl nicht ansieht, welchen Weg er während seiner Teilung genommen hat.
Dabei spielt der Begriff Kohärenz eine wichtige Rolle: als Kohärenz bezeichnet man eine bestimmte Eigenschaft einer Welle; Kohärenz ist die Voraussetzung für Interferenz-Phänomene.

Zeilingers neues Experiment
Das neue Experiment Anton Zeilingers und seiner Mitarbeiterin Barreto Lemos (Erstautor) sowie dessen Ergebnisse wurden letzte Woche im Fachblatt Nature [5] veröffentlicht: Mithilfe zweier spezieller Kristalle und einem diese beleuchtenden grünen Laser erzeugen die Forscher ein verschränktes Photonenpaar, das aus einem roten und einem infraroten Photon besteht. (Verschränkte Photonen müssen nicht die gleiche Wellenlänge bzw. Frequenz besitzen!)

Die infraroten Photonen werden in Richtung des abzubildenden Objektes (Fotomotiv) gelenkt und passieren es. Danach enthalten die Schwesterphotonen, die roten Photonen, (aufgrund ihrer Verschränkung mit den infraroten Photonen) die gleiche Information über das Objekt wie die Infraroten. Das heißt, diejenigen Photonen, die keine Wechselwirkung mit dem gesuchten Fotomotiv zeigen, erzeugen das am Ende des Experimentes das gewünschte Bild.

Als Versuchsobjekt diente keine lebendige Katze, sondern eine Blende mit dem Umriss einer Katze (Abb. 1a).

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Abb. 1a Katzenschablone des Zeilinger/Barreto Lemos-Experimentes 
© Lemos et al. [5]

 

Nach dem Passieren der infraroten Photonen zeigten sich am Ende des Experimentes in der Kamera zwei Bilder. Auf einem Bild sieht man als Abbildung der roten Photonen das Positivbild der Katzensilhouette, auf dem anderen Bild das entsprechende Negativ (Abb. 1b).

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Abb. 1b Abbildung einer Katzenschablone durch verschränkte rote Photonen,
die das Fotomotiv nicht „gesehen“ haben. © Patricia Enigl, IQOQI / G. B. Lemos

 

Der Unterschied zu ähnlichen quantenoptischen Experimenten besteht darin, dass man die Photonen, die das gesuchte Objekt „beleuchten“, anschließend nicht auffangen muss. Zeilinger und seine Mitarbeiter bilden mithilfe von verschränkten Photonen ein Objekt ab, ohne in seine Nähe kommen zu müssen. Dabei kann die Wellenlänge bzw. Frequenz des verwendeten Lichtes frei gewählt werden.

Damit beweist Zeilinger die Durchführbarkeit seiner neuen Idee der Quantenfotografie: er benutzt Fotomotive, die entweder undurchsichtig oder für die verwendeten Photonen unsichtbar sind. Das Experiment gilt als Prototyp der Extraktion von Quanteninformation eines Photons, das niemals gemessen wird, allerdings erfordert es die Verschränkung von Photonenpaaren.

Bei der gewöhnlichen Fotografie ist eine „ideale Beleuchtung“ des Fotomotivs wichtig: sie hängt von den Eigenschaften des Fotomotivs sowie der Empfindlichkeit der Detektoren in dem gewählten Wellenlängenbereich ab.
Bei „schlechten Lichtverhältnissen“ ist diese Art der Fotografie schwierig, insbesondere wenn die betreffenden Photonen außerhalb der Kamera-Empfindlichkeit liegen. Eine Anwendung dieser neuen Art der Quantenfotografie liegt im Bereich der Umweltforschung oder der Medizintechnik.

Bei der Entwicklung neuer Ideen verhilft Zeilinger möglicherweise seine ungewöhnliche Sicht der Quantenwelt und der Interpretation, ob sich beispielsweise ein Photon wie eine Welle oder eher wie ein Teilchen (Welle-Teilchen-Dualismus) [2] verhält. In einem Interview aus dem Jahr 2001 [7] äußerte Zeilinger dazu: Man möge „die Sicht, dass sich ein Quantenteilchen entweder als Teilchen oder als Welle verhält, aufgeben, um nicht die Relativitätstheorie zu verletzen.“ Für Zeilinger sind „in einem gewissen Sinn Quantenereignisse unabhängig von Raum und Zeit.“

Beam me up, Scotty?
Trotz neuer Erfolge Zeilingers und anderer Wissenschaftler ist das Beamen von Menschen nicht ganz so einfach wie das von Photonen: die Teleportation eines Menschen bleibt daher bis auf Weiteres Science-Fiction. Dabei liegt ein Problem in den riesigen Datenmengen, die bei einem derartigen Vorgang erzeugt würden. Außerdem weiß noch niemand, ob man komplexe makroskopische biologische Systeme (wie Menschen oder Tiere) in einen Quantenzustand bringen kann.

Jedoch tragen Zeilingers Sicht auf die Quantenwelt sowie seine Experimente dazu bei, die Bedeutung des Begriffs Information zu ändern. Information ist ein wesentlicher Grundbaustein des Universums. Zeilinger ist sogar der Ansicht, dass wir uns von der Idee verabschieden müssen, dass das Universum ohne unser Zutun und unabhängig von unserer Beobachtung existiert.

In seinem bereits im Jahr 2005 erschienenen Buch [6] erklärt Anton Zeilinger das Phänomen der Teleportation und weitere „Mysterien der Quantenphysik“.

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

Quellenangaben:

[1] Quantenforschungsgruppe der Universität Wien
www.vcq.quantum.at/

[2] Mehr Information über astronomische und physikalische Begriffe
www.wikipedia.de

[3] Institute of Physics (IOP)
www.iop.org

[4] Ma, X. Zeilinger, A., et al., Nature 489, 269-273 (2012)

[5] Barreto Lemos, G., Zeilinger A., et al., Nature 512, 409-412 (2014)

[6] Zeilinger, A., EINSTEINS SPUK Teleportation und weitere Mysterien der Quantenphysik, Verlag C. Bertelsmann (2005), ISBN 3-570-00691-3

[7] Interview mit Anton Zeilinger (2001)
www.heise.de

 

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