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Hutzi Spechtler  
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Der verlorene 5. Planet

Das frühe Sonnensystem [1] hat sich seit seiner Entstehung enorm verändert. Die Rekonstruktion seiner frühen Phase vor rund 4,5 Milliarden Jahren zeigt insbesondere, dass sich die Planeten damals nicht auf ihren heutigen Bahnen befanden, sondern vom inneren in das äußere Sonnensystem [1] gewandert sind.

Diese Migration [1] der Planeten sowie gelegentliche Wechselwirkungen können erklären, weshalb nicht alle Planetenbahnen kreisförmig sind und sich in der Ebene der Planeten (Ekliptik [1]) befinden.
Die Wanderung der Planeten und die dabei auftretenden dynamischen Wechselwirkungen haben das Aussehen des heutigen Sonnensystems entscheidend geprägt.

Von der Erde aus gesehen scheinen die heutigen Bahnen der Planeten immer wiederkehrende Bewegungen auszuführen. Seit Kopernikus [1] wissen wir, dass sich die Planeten um die Sonne bewegen. Die Erklärung der Planetenbahnen führte über komplizierte Theorien wie der Epizykel-Theorie [1] zu einfachen Modellen, in denen die Planeten gemäß dem 1. Keplerschen Gesetz [1] in Ellipsen [1] um das Zentralgestirn kreisen.

Erst Kepler [1] fand heraus, dass die elliptische Bewegung der Planeten durch die anziehende Wirkung der Gravitation [1] erklärbar wird. Mithilfe der Entwicklung dieser Ideen bis hin zur sog. Himmelsmechanik [1] konnte im Jahr 1846 die Existenz des Planeten Neptun [1] aufgrund von Bahnstörungen [1] des Planeten Uranus [1] vorhergesagt werden.

Planetenbahnen
Heute wissen wir, dass nicht alle Planetenbahnen kreisförmig sind. Beispielsweise weicht die Bahn des Planeten Merkur [1] am stärksten von der Kreisbahn ab, zudem ist sie am stärksten gegenüber der Ebene der Planeten (Ekliptik [1]) geneigt. Dagegen besitzt der Planet Jupiter [1] eine nahezu kreisförmige Bahn um die Sonne.

Diese Beispiele deuten an, dass es in der Vergangenheit des Sonnensystems - während der Entstehung der Planeten - zumindest zeitweise turbulent zugegangen sein muss. Neue Theorien besagen sogar, dass die Abweichungen der Planetenbahnen von der Kreisbahn und ihrer gekippten Lage gegenüber der Ekliptik erst später entstanden sind.

Relativ sicher ist die Annahme, dass sich die äußeren Planeten in der Vergangenheit näher an unserem Zentralgestirn befanden. Saturns Bahnperiode war in der Vergangenheit wahrscheinlich viel kürzer als heute.

Die Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass sich außerhalb der Plutobahn viele weitere kleine Körper aus Eis und Gestein befinden, der sog. Kuiper-Gürtel [1]. Während der Entwicklung des Sonnensystems wurden kleine Körper aus diesen Außenbereichen in das Innere des Planetensystems geschleudert; dabei kreuzten sie beispielsweise die Neptunbahn und wurden weiter nach innen oder zurück nach außen geschleudert.

In dieser Phase könnten diese kleinen Körper auf die Planeten Uranus [1] und Saturn [1] getroffen sein. Die Wechselwirkungen  mit den großen Planeten schleuderten die kleinen Körper wieder entweder nach innen - beispielsweise in Richtung des Planeten Jupiter - oder erneut zurück in das äußere Sonnensystem.

Die Wechselwirkung mit den kleinen Körpern beeinflußte die Bahn der großen Planeten und ihre Wanderung im Sonnensystem (Abb. 1). So erklären die Forscher wie die großen Planeten ihre heutige Position erreichten. Neptun befindet sich heute in einer Entfernung von rund 30 Astronomischen Einheiten (AE) [1], vor einigen Milliarden Jahren befand er sich bei rund 20 AE.

Die im folgenden beschriebenen Modellrechnungen und deren Ergebnisse betreffen einen Zeitraum, in dem sich Neptun in einer Entfernung von 28 AE befand. Etwa zu dieser Zeit wurde seine Bahn aufgrund einer Wechselwirkung mit einem anderen riesigen Gasplaneten, dem 5. großen Planeten des Sonnensystems, beeinflußt. Diese Instabilität stammt aus den gravitativen Wechselwirkungen - sog. gravitative Resonanzen [1] - der anderen nach außen migrierenden Planeten.

Aufgrund dieser Störungen änderten sich wahrscheinlich die Bahnen der Planeten: sie wurden elliptischer und wichen von der Ekliptik ab. Ebenso änderten sich wahrscheinlich die Halbachsen [1] der großen Planeten - wie die des Jupiters.

Der potentielle 5. Planet wurde aus dem Sonnensystem geschleudert; möglicherweise existierten weitere größere Objekte, die heutzutage ebenfalls aus dem Planetensystem verschwunden sind.

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Abb. 1 Das Sonnensystem war ursprünglich mit Asteroiden und anderen kleinen Körpern "gefüllt" (links), die im Laufe der Entwicklung des Sonnensystems durch
die Wechselwirkung mit den großen Planeten weiter nach außen "getrieben" wurden (Mitte). Schließlich erreichten die großen äußeren Planeten ihre heutigen Bahnen (rechts).
© M. Booth/wikipedia/Creative Commons

 

Als sich das äußere Sonnensystem "beruhigte", machte es ihm das innere Sonnensystem nach: Merkur erreichte seine besondere Bahnstellung. Allerdings versteht man in diesem Zusammenhang die Eigenschaften der Marsbahn (noch) nicht.

Ein 5. großer Gasplanet?
Unser frühes Sonnensystem könnte einen 5. großen Planeten beherbergt haben, zumindest nach Modellrechnungen einiger US-amerikanischer Planetenforscher [2].

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Abb. 2 Künstlerische Darstellung eines 5. großen Planeten
im frühen Sonnensystem. © Jcpag2012 via wikimedia

 

Als Beweis führen die Wissenschaftler eine Klumpung eisiger Körper in der gleichen Region des Sonnensystems an, in dem sich der Zwergplanet Pluto [1] befindet. Bei dem Planeten könnte es sich um einen großen Gasplaneten gehandelt haben, der auf seiner Wanderung weg von der Sonne ins äußere Planetensystem mit dem Planeten Neptun kollidierte und seine Satelliten in den Kuiper-Gürtel schleuderte (Abb. 3).

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Abb. 3 Schematische Darstellung sämtlicher bekannten Objekte des
Kuiper-Gürtels (grün) und den äußeren Planeten. Im Zentrum befindet
sich die Sonne. Der Zwergplanet Pluto ist nicht eingezeichnet.
© wikipedia

 

Die beobachtete Klumpung der eisigen Körper im äußeren Sonnensystem besteht aus rund 1.000 eisigen Felsbrocken, dem sog. Kernel [1]. Diese Felsbrocken bewegen sich in räumlicher Nähe zueinander und innerhalb der Ebene der übrigen Planeten - ganz im Gegensatz zu anderen eisigen Objekten des Kuiper-Gürtels.

Frühere Studien vermuteten, dass es sich bei den untereinander gebundenen eisigen Objekten um Überbleibsel von Kollisionen größerer Körper des frühen Sonnensystems handele. In diesem Fall wären diese Objekte jedoch bereits im Kuiper-Gürtel verteilt.

Die neuen Ergebnisse basieren auf Computersimulationen, in denen die Bewegung des Kernel seit den letzten 4 Milliarden Jahren berechnet wurde. Die Berechnungen zeigen, dass sich die Objekte des Kernel in der Vergangenheit im Gravitationsfeld des Planeten Neptun befunden haben müssen als ihr Mutterplanet ins äußere Sonnensystem wanderte.

Der vermeintliche 5. Planet scheint sich zuvor im Bereich zwischen den Planeten Saturn und Jupiter aufgehalten zu haben. Anschließend verließ er diese Region und geriet "in die Fänge" des Neptun. Dieser zog Teile des 5. Planeten und dessen Satelliten mit sich um die Sonne (Abb. 4). Der infantile Kernel rotierte zu dieser Zeit wahrscheinlich zweimal so schnell um die Sonne wie Neptun.

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Abb. 4 Künstlerische Darstellung der Objekte des Kernel in der Nähe
des Planeten Neptun. Der Kernel wurde durch gravitative Wechselwirkung
des Planeten Neptun in den Kuiper-Gürtel geschleudert.
© NASA

 

In einer Entfernung von rund 4,2 Milliarden Kilometern von der Sonne - nahe der gegenwärtigen Bahn des Planeten Neptun - überholte Neptun den Kernel. Die Objekte des Kernel wurden dabei von dem großen Planeten eingefangen (Abb. 4), konnten jedoch nicht mit der Bewegung von Neptun um die Sonne mithalten und wurden weiter nach außen geschleudert, in eine Region, die rund 6,9 Milliarden Kilometer vom Zentralgestirn entfernt ist und in dem sie sich gegenwärtig bewegen.

Die Änderung der Bahn des Kernel kann nur erklärt werden, so einer der Wissenschaftler, wenn Neptun mit einem ehemals großen Objekt, wahrscheinlich einem großen (Gas)Planeten zusammenstieß. Die Planeten Uranus, Jupiter und Saturn scheiden als Kandidaten aus. Die Bahn dieser Planeten hat mit der des Neptuns keine Wechselwirkung erfahren.

Die Idee eines 5. großen Planeten im Sonnensystem ist nicht neu; bereits im Jahr 2011 hatte die gleiche Forschergruppe vorgeschlagen, dass die heutige Position der äußeren Planeten nur durch die Existenz bzw. Wechselwirkung mit einem weiteren großen Gasplaneten erklärt werden kann. Der vermeintliche 5. Planet könnte bei der Begegnung und Wechselwirkung mit dem Planeten Neptun unwiederbringlich aus dem Sonnensystem geschleudert worden sein - nachdem er die Bahnen der äußeren Planeten (entscheidend) beeinflusst hat.

Die Architektur des frühen Sonnensystems unterscheidet sich von der heutigen. Der Schlüssel für das Verständnis der Vorgänge des frühen Sonnensystems ist dabei der Kuiper-Gürtel. Die Objekte darin verraten uns, was vor Milliarden Jahren geschah, ohne dass wir live dabei waren.

Die neuen Ergebnisse basieren auf Modellrechnungen über einen Zeitraum von mehreren Jahren und rund 100 möglichen Modellen. Dabei wurden lediglich Ergebnisse berücksichtigt, bei denen die Reihenfolge und Abstände der Planeten mit den heutigen Beobachtungen übereinstimmen.

Ziel der Forschergruppe ist es nun, weitere Objekte des Kuiper-Gürtels und insbesondere im Bereich des Kernel aufzuspüren, die die Theorie der Existenz eines 5. Gasplaneten unterstützen.

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information über astronomische Begriffe
www.wikipedia.de

[2] Nesvorny, D., et al., ApJ (Sept 2015)

 

 

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