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Hutzi Spechtler  
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Stonehenge – Woodhenge oder Superhenge?

Die Beobachtung der Position der Sonne und der Sterne galt bereits vor Tausenden von Jahren als wichtiger Aspekt des täglichen Lebens, jedenfalls für die „Wissenden“ der damaligen Gemeinschaften. Stonehenge [1] (Abb. 1) in England gilt im Zusammenhang mit der frühen Beobachtung des Sternenhimmels und der Nutzung der daraus gewonnen Erkenntnisse als eine der bedeutendsten Orte der sog. Archäoastronomie.

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Abb. 1 Ansicht der Stonehenge-Anlage in England.
© www.express.co.uk

 

Allerdings stammen wichtige archäoastronomische Funde auch aus Deutschland:

Die Himmelsscheibe von Nebra
Im Jahr 1999, dem Jahr der letzten in Deutschland sichtbaren Totalen Sonnenfinsternis, fand man auf dem Mittelberg [1] (in der Nähe der Stadt Halle) die bisher einzigartige und inzwischen weltweit berühmte Himmelsscheibe von Nebra [1, 2]. Die Himmelsscheibe wurde im Bronzezeitalter [1] gefertigt; ihr Alter wird auf 3.700-4.100 Jahre geschätzt. Sie ist die erste bekannte konkrete Himmelsdarstellung der Menschheitsgeschichte und ein Schlüsselfund für die Geschichte der Astronomie. Die etwa pizzatellergroße Scheibe zeigt beispielsweise das Siebengestirn, die Plejaden [1], und enthält Information über den Beginn der Sommer- und Wintersonnenwende sowie des Frühjahrs und des Erntezeit im Herbst.

Die Kreisgrabenanlage Goseck
Bereits einige Jahre zuvor entdeckte ein Luftbildarchäologe bei seinem Erkundungsflug ringförmige Bodenverfärbungen in Goseck [1]. Bei Ausgrabungen ab dem Jahr 2002 fanden die Forscher eine Kreisgrabenanlage aus dem Mittelneolithikum [1]. Man schätzt das Alter der ehemals aus Holz errichteten Kreisgrabenanlage Goseck auf rund 6.900 Jahre.
Die Anlage in Goseck ist damit älter als die Himmelsscheibe von Nebra und das bisher älteste bekannte Sonnenobservatorium der Welt; sie entstand vor den Pyramiden in Ägypten und enthält Information zu Sonnenauf- und -untergängen zum Zeitpunkt der Sommer- oder Wintersonnenwende.

„Woodhenge“
Gegenüber der Kreisgrabenanlage in Goseck ist Stonehenge „nur“ rund 4.000 Jahre alt. Jedoch ist Stonehenge kein astronomisches „Einzelkind“:

Im Jahr 2010 entdeckten britische Wissenschaftler sozusagen einen Stonehenge-Zwilling in nur einem Kilometer Entfernung (Abb. 1) von der Hauptanlage. Bei Untersuchungen des Erdmagnetfeldes rund um Stonehenge stießen die Forscher auf Reste einer Anlage, die etwa zu der Zeit errichtet wurde, als Stonehenge seine vollständige Komplexität erreichte. Die Schwesteranlage beruht auf einer Holzbauweise, d.h. anstelle der riesigen Steine von Stonehenge errichtete man den Kreis der Zwillingsanlage aus Holz; er besaß einen Durchmesser von rund 75 Metern (Abb. 2). Der Bau von „Woodhenge“ wurde wahrscheinlich im Jahr 3100 v. Chr. begonnen und erst rund 2.000 Jahre später fertiggestellt.

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Abb. 2 Schematischer Aufbau von Woodhenge.
© http://www.stonehenge-info.org

 

Neues aus Stonehenge
Das in der Jungsteinzeit (Neolithikum) errichtete Stonehenge ist nicht nur das „Mekka“ für Archäoastronomen, sondern auch für zahlreiche andere Interessensgemeinschaften. Es ist eines der meist besuchten Orte Europas. Jedes Jahr feiern nicht nur moderne Druiden die Wintersonnenwende in den Steinkreisen von Stonehenge.

Stonehenge besteht aus einer Grabenanlage sowie mehreren Steinkreisen aus Megalithen [1]. Bis heute ist nicht klar, zu welchem Zweck das rund 4.000 Jahre alte Stonehenge-Monument benutzt wurde. Möglicherweise ist Stonehenge jedoch nur die „Spitze eines Eisbergs“:

Wissenschaftler des Stonehenge Hidden Landscapes Project [3] meldeten diese Woche nach vier Jahre andauernden Untersuchungen mit Magnetometern [1] (Abb. 3) und Bodenradaranalysen neue Entdeckungen:
Neben Dutzenden von Grabhügeln fanden die Forscher beispielsweise 17 weitere rituelle Monumente in unmittelbarer Umgebung von Stonehenge [3] (Abb. 3 und 4) – und das ohne zu graben.

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Abb. 3 Stonehenge-Kartografierung mithilfe von Magnetometern
© Stonehenge Hidden Landscapes Project [3]

 

Die dabei neu entdeckten prähistorischen Gruben scheinen teilweise in Richtung des Sonnenuntergangs zum Zeitpunkt der Sommersonnenwende ausgerichtet.

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Abb. 4 Neu entdeckte Monumente der Stonehenge-Kartografierung
© Stonehenge Hidden Landscapes Project [3]

 

In der benachbarten Steinzeitsiedlung Durrington Walls entdeckten die Wissenschaftler einen Steinkreis, den sie mit dem Begriff "Superhenge" bezeichnen (s. Abb. 5). Die Bezeichnung Superhenge drückt die Größe der Anlage aus: ihr Durchmesser betrug rund 500 Meter. In einer Frühphase des Baus war das Monument von aufrecht stehenden Steinen oder Holzpfosten umgeben, ähnlich dem traditionellen Stonehenge.

Außerdem fanden die Forscher einen in Ost-West-Richtung ausgerichteten rund 3 Kilometer langen Graben, den sog. Cursus**, nördlich von Stonehenge, der 100 Meter breit war (Abb. 4). Die Ausrichtung des Grabens diente wahrscheinlich der Markierung von Sonnenauf- und -untergang zur Sommersonnenwende. Möglicherweise handelt es sich bei dem Cursus um einen Zugang zur Stonehenge-Anlage.

Die nachfolgende Abbildung zeigt die Lage der beschriebenen neolithischen Monumente in und um Stonehenge (Abb. 4).

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Abb. 4 Lage der neolithischen Monumente im Bereich von Stonehenge.
© http://www.theblackvault.com

 

Mithilfe der neu gewonnenen Messungen konnten die Wissenschaftler eine virtuelle dreidimensionale Kartierung der Umgebung von Stonehenge anfertigen (Abb. 5). Darauf erkennt man neben der Lage von Stonhenge (Bildmitte) den quer darüber liegenden Cursus sowie die Siedlung Durrington Walls und den Stonehenge-Zwilling Woodhenge.

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Abb. 5 Virtuelle 3D-Kartierung der Umgebung von Stonehenge (Bildmitte) -
Durrington Walls und Woodhenge (rechts oben) und der lange Graben (Cursus).
Rote Punkte markieren neu entdeckte Monumente.
© Nature/Ludwig Boltzmann-Institut (2014)

Auf einer mit weißen Markierungen versehenen Luftaufnahme der Region (Abb. 6) sieht man besonders gut den Zusammenhang der bisher bekannten und der neu entdeckten Monumente in und um Stonehenge.

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Abb. 6 Luftaufnahme der Umgebung von Stonehenge -
Durrington Walls und Woodhenge (rechts oben) und der lange Graben (Cursus, Bildmitte). Weiße Markierungen entsprechen den bekannten Monumenten.
© Stonehenge Hidden Landscapes Project

 

Den sensationellen Funden des Projektes wird eine Fernsehdokumentation gewidmet: die "Operation Stonehenge" wird vom österreichischen Sender ORF2 am 14. und 21. November, jeweils um 22:40 Uhr, in der Sendereihe „Universum History“ ausgestrahlt [5]. Das ZDF wird im Rahmen des Zyklus Terra X erst im Jahr 2015 eine Zusammenfassung ausstrahlen.

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Abb. 7 Nächtlicher Eindruck in Stonehenge
© http://www.bbc.co.uk

 

Möglicherweise war der Stonehenge-Steinkreis das Zentrum dieser riesigen Anlage. Wir modernen Menschen können uns nur schwer vorstellen, was die neolithischen Bewohner der Region um Stonehenge am Himmel gesehen haben und welchen überwältigenden Eindruck die Steinriesen hinterließen.

Sicherlich werden die Auswertung der neuen Messungen und die weitere Beschäftigung mit dem Stonehenge-Komplex uns auch in Zukunft in ihren Bann ziehen. Uns bleibt im Alltag nur die Sehnsucht nach einem dunklen Nachthimmel, um dessen Schönheit zu bewundern.

 

Wenn Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns an kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Weitere Information zu astronomischen und geschichtlichen Begriffen
www.wikipedia.de

[2] Mehr Information zur Himmelsscheibe von Nebra
http://www.himmelsscheibe-erleben.de/

[3] Mehr über die neuen Entdeckungen in und um Stonehenge (deutsch)
Ludwig Boltzmann-Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie*
http://archpro.lbg.ac.at
und (englisch)
Stonehenge Hidden Landscapes Project = Kooperation der University of Birmingham und des Ludwig Boltzmann Institute for Archaeological Prospection and Virtual Archaeology (LBI ArchPro)* sowie internationalen Partnern[3]
[Kartierung während 120 Feldtagen in einem Bereich von 12 Quadratkilometern]
Mehr Information unter http://lbi-archpro.org

[4] Mehr Info zur 2-teiligen TV-Dokumentation über die neueste Stonehenge-Forschung
BBC-Dokumentation: "Operation Stonehenge: What Lies Beneath"
deutsche Fassung: „Operation Stonehenge - Was sich darunter befindet“
(unter Beteiligung von ZDF und ORF)
http://tv.orf.at/universum/

 

** so benannt, weil man ihn ursprünglich für eine Rennbahn hielt

 

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