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Sonnenwind raubt Marsatmosphäre -
die NASA-Pressekonferenz am 5. November

Die gestrige NASA-Pressekonferenz "Mars Science Update" [1] beschäftigte sich mit neuen Ergebnissen der Marsmission MAVEN [1, 2].

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Teilnehmer waren
- Jim Green, Direktor Planetenwissenschaft, NASA,
- Bruce Jakosky, MAVEN-Team, Universität von Colorado,
- Jasper Halekas, MAVEN-Team, Universität von Iowa,
- Yaxue Dong, MAVEN-Team und
- Dave Brain, MAVEN-Team.

Die wichtigste Frage der Mission beschäftigt sich mit dem Schicksal der Marsatmosphäre und dem des Wassers, das sich in der Vergangenheit auf dem roten Planeten befunden hat.

Die Hinweise für die Existenz von Flüssen sind auf dem Mars sind erdrückend. Gegenwärtig ist die Atmosphäre des Mars so dünn, dass flüssiges Wasser auf der Oberfläche sofort verdunsten würde.

Der Mars besaß in der Vergangenheit ausreichend Wasser, um mikrobiologisches Leben hervorzubringen, so Mayer. MAVEN beschäftigte sich innerhalb des letzten Jahres daher vorwiegend mit der Messung der oberen Atmosphäre und dem Verlust derselben.

Marsatmosphäre und Sonnenwind
Bruce Jakosky berichtete anschliessend von den neuen Ergebnissen der Marsmission: Gegenwärtig gleicht unser Nachbarplanet eher einer kalten und trockenen Wüste ohne flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche. Der Mars ist eher lebensfeindlich, jedenfalls für Leben, das auf Sauerstoff und Wasser angewiesen ist.

Erheblichen Einfluss auf den Verbleib des Wassers hatte insbesondere der Verlust der Marsatmosphäre durch die Einwirkung des Sonnenwindes[1].

Neue Messungen, alte Ideen
Allerdings ist dieses Ergebnis nicht neu. Bereits die russische Raumsonde Phobos 2 [1] analysierte vor rund 20 Jahren bei ihrem Flug hinter den Mars die Bestandteile des Sonnenwindes. Dabei fand sie geladene Teilchen, die nicht von der Sonne stammen, sondern aus der Atmosphäre des Mars selbst.

Bereits im Jahr 2012 und davor im Jahr 2004 vermuteten Wissenschaftler, dass der Einfluss des Sonnenwindes für den Verlust der ehemals dichten Marsatmosphäre gesorgt hat [3]. Die Ergebnisse beider Studien beruhen auf Messungen der Raumsonde Mars Express [1] und der CLUSTER-Mission [1]. Offensichtlich reißt der Sonnenwind beim Vorbeiströmen am roten Planeten kleinste Teilchen der Marsatmosphäre mit und das kontinuierlich.

Die Marsmission MAVEN hat diese Ergebnisse bestätigt: der Sonnenwind reißt geladene Teilchen der Marsatmosphäre mit sich und verringert damit die Marsatmosphäre. Einer der Beteiligten verglich diesen Prozess mit dem von nassen Haaren nach einer ausgiebigen Dusche. Gehe man nach dem Duschen sofort nach draussen, wehe der Wind das in den Haaren verbliebene Wasser nach und nach weg.

Das Problem der ausgedünnten Marsatmosphäre sei dessen fehlendes globales Magnetfeld, so Halekas. Somit habe der Sonnenwind ein "leichtes Spiel" mit der Marsatmosphäre. Der Sonnenwind werde in einer konischen Form um den Planeten gelenkt, dabei entstehe vor dem Mars eine Schockfront [1].

Bei der Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der oberen Marsatmosphäre werde diese von den geladenen Teilchen massiv beeinflusst. Am Mars entstehe eine Art Fahne (plume) und ein Bereich hinter dem Mars, eine Art Schweif, in den Teilchen entweichen (tailward escape). (Abb. 1)

MAVEN hat diese Art Fahne, in der viele Ionen entweichen (plume escape), beobachtet (Abb. 1). In der unteren Atmosphäre scheinen die Ionen auf den Mars zuzukommen.

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Abb. 1 Schematische Darstellung der Einwirkung des Sonnenwindes auf
die obere Atmosphäre des Mars. Der von rechts ankommende Sonnenwind (solar wind) wechselwirkt mit der oberen Marsatmosphäre. (Der Mars befindet sich in der Bildmitte.) Dabei zeigen die Pfeile die Richtung und die Geschwindigkeit der
entweichenden Teilchen der Marsatmosphäre an, die Farben die Menge der entweichenden Teilchen. Rote Bereiche markieren einen höheren Anteil der entweichenden Teilchen, blaue einen geringeren Anteil.
© NASA/MAVEN

 

Dabei liegen die Teilchengeschwindigkeiten in dem Fahnenbereich höher als im Schweifbereich. Interessanterweise entweichen rund 25 Prozent der atmosphärischen Teilchen in den Fahnenbereich und 75 Prozent in den Schweifbereich. Diese quantitative Messung ist tatsächlich neu.

Dave Brain berichtete von den unterschiedlichen Wegen, auf denen die geladenen Teilchen der oberen Marsatmosphäre den Planeten verlassen (Abb. 2).

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Abb. 2 Schematische Darstellung der Fluchtwege der geladenen Teilchen
der oberen Marsatmosphäre. Links auf der Tagseite, rechts auf der Nachtseite.
© NASA/MAVEN

 

Die Fluchtwege der atmosphärischen, geladenen Teilchen sind nicht gleichmäßig verteilt, insbesondere auf der Nachtseite (Abb. 2). Die obige Abbildung zeigt diese Wege: je dunkler die Färbung auf dem Marsglobus, desto mehr Ionen verlassen den Mars. Auf der Nachtseite des Mars verlassen gegenüber der Tagseite besonders viele Ionen die Planetenatmosphäre in Richtung Weltraum.

Wieviele Teilchen oder Materie verläßt die Marsatmosphäre aufgrund der Wechselwirkung mit dem Sonnenwind?
Aufgrund der Messungen von MAVEN schätzen die Wissenschaftler, dass pro Sekunde etwa 1024 Teilchen die Marsatmosphäre verlassen; das entspreche etwa einer Masse von rund 100 Gramm Atmosphäre, die pro Sekunde auf nimmer Wiedersehen verschwindet.

Brain verglich das mit einem Hamburger pro Sekunde. Allerdings stelle diese Abschätzung lediglich eine untere Grenze dar, wahrscheinlich handele es sich um wesentlich mehr Materie.

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Abb. 3 Schematische Darstellung des Mars im Sonnenwind.
Links: Der Mars heute. Rechts: Der Mars in einem Sonnensturm.
© NASA/MAVEN
 

Während eines Sonnensturms [1, 4], bei dem besonders viele geladene Teilchen von unserem Zentralgestirn ausgesandt werden, verliert der Mars besonders viele Teilchen aus seiner Atmosphäre (Abb. 3).

Die Wissenschaftler schätzen, dass während eines Sonnensturms 10-20 Mal mehr Teilchen aus der oberen Atmosphäre weggerissen werden.

Sonnenstürme scheinen mit dem massiven Verlust der Marsatmosphäre einherzugehen. In der Vergangenheit der Marsgeschichte waren Sonnenstürme wahrscheinlich häufiger und intensiver, daher verlor der Mars einen besonders hohen Anteil seiner Atmosphäre.

Fazit
MAVEN konnte als erste Marssonde die Verlustrate der oberen Atmosphäre des roten Planeten messen. In der Vergangenheit hatten diese Prozesse eine stärkere Einwirkung auf den Mars, waren mit einem höheren Verlust der Marsatmosphäre verbunden und haben dadurch das Klima des Planeten nachhaltig verändert. [5]

Die Wissenschaftler wollen ihre Ergebnisse mit den Auswirkungen des Sonnenzyklus [1] in Zusammenhang bringen.

Fragen
(1) Ist ein ähnlicher Effekt für die heutige oder zukünftige Erde denkbar?
Zwar verliert unsere Erdatmosphäre ebenfalls Teilchen, jedoch schützt uns das Magnetfeld des blauen Planeten vor dem Sonnenwind. Insbesondere an den Polen der Erde gehen viele Teilchen verloren.
Wenn in der Zukunft das Magnetfeld der Erde aufhöre zu existieren, könnte auf sie das gleiche Problem zukommen wie beim Mars. Bei dem anstehenden Umpolen des Erdmagnetfeldes wäre die Atmosphäre zwar kurzzeitig dem Sonnenwind relativ ungeschützt ausgesetzt, jedoch wäre damit wahrscheinlich keine schnelle Klimaänderung verbunden.

(2) Könnte man diesen Prozess beim Mars umkehren?
Leider ist die bereits weggerissene Marsatmosphäre unwiderruflich verloren.

(3) Existieren weitere Faktoren, die den Verlust der Marsatmosphäre beschleunigen?
Zum Verlust der Marsatmosphäre können viele Prozesse beitragen. Mithilfe von MAVEN wollen die Forscher den Einfluss der Sonne auf die Marsatmosphäre verstehen. Einschläge von Asteroiden waren nur im frühen Sonnensystem wichtig.

(4) Wie schnell verlor der Mars Teile seiner Atmosphäre bei Sonnenstürmen?
Während Sonnenstürmen liegt die Verlustrate der Atmosphärenteilchen um einen Faktor 10-20 höher. Gegenwärtig sei keine Extrapolation in die Marsvergangeheit möglich. Der Mars besaß in der Vergangenheit für eine bestimmte Dauer eine Atmosphäre.

(5) Wie lange besaß der Mars Wasser auf seiner Oberfläche?
Der Mars besaß wahrscheinlich bis vor rund 3,8 Millionen Jahren flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche. Zu dieser Zeit begann der Verlust der Atmosphäre durch den Sonnenwind, der viel stärker war als in der Gegenwart. Man nimmt an, dass der enorme Verlust der Marsatmosphäre vor 4,2 bis 3,7 Millionen Jahren besonders intensiv war.

(6) Weshalb verlor der Mars in der Vergangenheit so viel Oberflächenwasser?
Das frühe Magnetfeld des Mars schützte ihn vor dem Sonnenwind und hinderte diesen, Teile der Atmosphäre wegzureissen. Wir wissen noch nicht genau, was das Verschwinden des Magnetfeldes vor etwa 4,2 Millionen Jahren verursacht hat. Danach folgte das effektive Wegreißen der Atmosphäre. Wahrscheinlich war dieser Prozess damals rund 100-1.000 mal effektiver; dabei verschwand nahezu die gesamte Atmosphäre des Mars.

Die zukünftige Untersuchung des Mars wird mit diesem Hintergrund erfolgen. Das Mars ist ein sehr komplexes System, bei dem zahlreiche Prozesse miteinander gekoppelt sind. Um Aussagen über das Marsklima der Vergangenheit zu machen, muss neben der Atmosphäre auch die Geologie des roten Planeten weiter erforscht werden. Dabei füllt MAVEN eine Lücke, indem sie zum Verständnis der Funktionsweise der oberen Marsatmosphäre beiträgt.

(7) Wird der Mars in Zukunft seine gesamte Atmosphäre verlieren?
Der Mars wird wahrscheinlich in einige Millionen Jahren seine gesamte Atmosphäre verloren haben. Jedoch könnte ein nicht unbeträchtlicher Anteil Gase in der Marsoberfläche und unterhalb der Oberfläche gebunden sein.

(8) Wie sieht es mit flüssigem Wasser auf dem Mars aus?
MAVEN hilft die Geschichte von flüssigem Wasser auf dem Mars zu verstehen, indem man das Marsklima untersucht. Bereits der Reconnaissance-Orbiter [1] hat Hinweise auf die Existenz von flüssigem Wasser auf dem Mars gefunden, beispielsweise an den Polen oder in mittleren Breiten. Ein bewohnbarer Bereich auf dem Mars könnte unterhalb der Oberfläche gefunden werden.

(9) Existieren auf dem Mars Aurorae?
Der Mars zeigt zwei Arten von Aurorae [1], beispielsweise am Nord- und am Südpol des roten Planeten. In diesen Bereichen sind Aurorae mit schwachen Magnetfeldern verbunden.
MAVEN hat eine neue Art Aurorae beobachtet: die Ereignisse wurden in Regionen beobachtet, in denen keine Magnetfelder gemessen wurden. MAVEN konnte im UV-Bereich [1] sehr energiereiche Teilchen beobachten, die in die Atmosphäre eindrangen, beispielsweise am 24. Dezember 2014.
Theoretisch könnten die Mars-Aurorae den kompletten Marshimmel erhellen. Möglicherweise seien diese Aurorae auch mit dem bloßen Auge am Marshimmel sichtbar.

(10) Wie hat der Komet Siding Spring den Mars beeinflusst?
Der Komet Siding Spring [1, 2] beeinflusste lediglich die obere Marsatmosphäre, wo er Staubteilchen hinterließ. Der Kometenstaub könnte die Zusammensetzung und chemische Prozesse der Marsatmosphäre beeinflussen. Allerdings war die Passage des Kometen am Mars ein eher seltenes Ereignis.

MAVEN entdeckte vielmehr Metallionen [1] des interplanetaren Raumes [1] in der oberen Atmosphäre. Die dadurch resultierenden chemischen Prozesse könnten die gesamte Atmosphäre beeinflussen.

(11) Wie kann man den heute beobachteten Verlust der Marsatmosphäre in die Vergangenheit extrapolieren?
Zuerst müsse man den gegenwärtigen Verlust der Atmosphäre verstehen. Allerdings existieren Hinweise, dass der Verlust in der Vergangenheit wesentlich größer war. Dies habe den Mars von einem warmen in einen trockenen Planeten verwandelt.

(12) Sind die Ergebnisse für die Erde wichtig?
Die Prozesse, die für das Klima der Erde verantwortlich sind, unterscheiden sich von denen am Mars. Man könne das Klima beider Planeten nicht vergleichen. Allerdings helfen die Ergebnisse die allgemeinen Prozesse besser zu verstehen.

(13) Wäre der Einsatz von Ballons auf dem Mars denkbar?
Derzeit sei das keine Alternative. Der Rover Curiosity [1] vermesse die Marsatmosphäre vom Boden aus. Zukünftig sollen die Messungen besser koordiniert werden. Insbesondere sollen unterschiedliche Bereiche der Marsatmosphäre vermessen werden. Wenn man die untere Atmosphäre verstehe, verstehe man die obere Atmosphäre ebenfalls besser.

Die US-amerikanische Marsmission MAVEN wurde vor rund zwei Jahren gestartet; seit einem Jahr untersucht die Sonde den roten Planeten. Am 16. November endet die primäre Wissenschaftsmission, sie soll jedoch verlängert werden.
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Leider kann man aus den neu vorliegenden Messungen nicht auf das Alter und die Größe der ehemaligen Marsbewohner schließen ...

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information über astronomische Begriffe
www.wikipedia.de

[1a] Artikelserie zum Kometen Chury
http://ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles__rosetta__hauptseite.html

[2] Unsere Kurzartikel zu Mars und MAVEN
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles__marsbesucher.html
und unter
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles.html

[3] http://www.raumfahrer.net/news/astronomie/11032012173017.shtml

[4] Video zum Verlust der Marsatmosphäre durch den Sonnenwind
https://youtu.be/gX5JCYBZpcg

[5] Pressemeldung der Universität von Colorado vom 5. November

http://lasp.colorado.edu/home/maven/2015/11/05/maven-reveals-speed-of-solar-wind-stripping-martian-atmosphere/

 

 

 

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