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Erstmalige Messung besonderer Sonnenneutrinos -
ein direkter Blick ins Sonneninnere

Neutrinos [1] sind sog. Elementarteilchen: dabei handelt es sich um kleinste Teilchen, die nicht nur winzig sind, sondern ebenso unglaublich leicht und elektrisch neutral. Außerdem zeigen Neutrinos – anders als beispielsweise Photonen oder andere kleine Teilchen - nur extrem selten eine Wechselwirkung mit gewöhnlicher Materie (wie Planeten, Berge, Häuser, Autos oder Menschen).

Woher stammen Neutrinos?
Neutrinos entstanden bereits kurz nach dem Urknall [1]. In jedem Kubikzentimeter des Raumes befinden sich rund 300 dieser kosmischen Neutrinos, die vor rund 14 Milliarden Jahren entstanden.
Neutrinos werden ebenso durch Kernfusionsprozesse im Inneren von Sternen erzeugt, beispielsweise in unserer Sonne.

Wir kennen drei Arten von Neutrinos: die Elektron-Neutrinos, die Myon-Neutrinos und die Tau-Neutrinos.

Wie entstehen Neutrinos?
Neutrinos entstehen beispielsweise bei Kernfusionsprozessen im Sonneninneren (bei Temperaturen von mehr als 10 Millionen Grad). Dort werden bei entsprechenden Bedingungen Wasserstoffatome (H) zu Helium (He) verschmolzen. Dieser Prozess erfolgt in drei Schritten; im ersten Teilschritt entstehen Neutrinos:

In der sog. pp-Kette (Proton-Proton-Reaktionskette) [1] wird beim Zusammenstoß zweier Wasserstoffkerne (Proton = p = 1H) [Abb. 1 oben] Deuterium*(D = 2H) erzeugt, dabei „entstehen“ ein Positron (positiv geladenes Elektrone+) [1] und ein Elektron-Neutrino (ve) [1], auch

pp-Neutrino genannt [Abb. 1 unten]. Die pp-Neutrinos besitzen im Vergleich zu den anderen Neutrinosorten extrem wenig Energie.

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Abb. 1 Erster Schritt der pp-Kette zur Entstehung von Deuterium (D)
aus zwei Wasserstoffkernen (H)  © NASA/NSSTC/Hathaway

 

In den beiden darauffolgenden Fusionsschritten entsteht Energie, die als Strahlung abgegeben wird. Die pp-Kette erzeugt mehr als 99 Prozent der Sonnenenergie. Diese Wasserstoff-Fusion im Sonneninneren ist dafür verantwortlich, dass Sterne „leuchten“. Dabei entstehen pro Sekunde etwa 1044 Neutrinos!!!

Während die Neutrinos die Sonne ungehindert durchqueren und anschließend verlassen können, wird die bei der Fusion entstehende Strahlung durch Streuprozesse [1] an Materie (Elektronen) innerhalb der Sonne immer wieder abgelenkt.

Der Weg der Lichtteilchen „nach draußen“ gleicht einem Zick-Zack-Kurs (Abb. 2). Daher ist die Sonne „undurchsichtig“.

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Abb. 2 Schematische Darstellung eines Neutrinos und eines Photons
vom Kern der Sonne (rot) bis zum Sonnenrand. © yahw

 

Die im Kern entstandenen Photonen erreichen die Sonnenoberfläche erst nach etwa 100.000 Jahren, die Neutrinos dagegen bewegen sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit und erreichen die Erde bereits nach etwa 8,5 Minuten!!!

Die „Sonnenneutrinos“ verlassen nach ihrer Entstehung nahezu ungehindert ihre Geburtsstätte und fliegen in das Weltall. Pro Sekunde wird jeder Mensch von etwa 400.000 Milliarden Sonnenneutrinos durchquert, ohne dass wir dies bemerken.

Weshalb sind die pp-Neutrinos so wichtig?
Die Menge der pp-Neutrinos spiegelt nahezu die Gesamtheit der Sonnenneutrinos wider. Spätere Kernreaktionen bringen eine wesentlich geringere Anzahl Neutrinos hervor. Letztere konnten bereits mehrfach nachgewiesen werden und dienen als Beweis für die Richtigkeit der Kernfusionsprozesse in Sternen wie unserer Sonne.

Die wichtigen pp-Neutrinos blieben direkten Messungen bisher „verborgen“, auch aufgrund der geringen Energie, die sie besitzen. Ihr Nachweis würde einen direkten Blick ins Sonneninnere erlauben und Auskunft über die „momentane“ Energieerzeugung im Kern der Sonne geben.

Die Entdeckung der pp-Neutrinos
Bisherige Messungen der Sonnenenergie basierten auf der Messung der Sonnenstrahlung, die ebenfalls bei der pp-Kette entsteht. Der Nachteil dieser Messung ist die lange Wartezeit: von der Entstehung dieser Strahlung im Kern der Sonne bis zu ihrer Messung auf der Erde vergehen mehr als 100.000 Jahre – und das obwohl das Licht von der Sonnenoberfläche bis zur Erde nur rund 8,5 Minuten unterwegs ist. Die lange Reise der Photonen vom Kern nach „draußen“...

Das hochempfindliche Borexino**-Experiment [2] im Massiv des Gran Sasso d'Italia (Laboratori Nazionali del Gran Sasso, LNGS) der italienischen Abruzzen ist eine internationale Kollaboration europäischer Länder, den Vereinigten Staaten und Russland. Borexino ermöglichte es den am Experiment beteiligten Wissenschaftlern im Jahr 2013, die gesuchten niederenergetischen und extrem selten wechselwirkenden pp-Neutrinos erstmals direkt zu „beobachten“. Diese Messung ist weltweit einzigartig.

Das Borex-Experiment
Der Borexino-Detektor ist der weltweit strahlungsärmste Detektor seiner Art: Störungen durch andere Teilchen oder Reaktionen konnten mithilfe seines Standortes und Aufbaus auf ein bisher nie dagewesenes Minimum reduziert werden.

Zum Schutz der empfindlichen Borexino-Messung befindet sich die gesamte Anlage innerhalb des Gran Sasso-Massifs in rund 1.400 Metern Tiefe in einem „Untergrundlabor“ (Abb. 3).

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Abb. 3   Blick in den Borex-Detektor zur Messung von pp-Neutrinos
© Borexino Collaboration [2]

 

Der Detektor, der die energiearmen Neutrinos der pp-Kette bzw. deren Wechselwirkung mit den Elektronen einer besonders reinen Flüssigkeit misst, ist zum Schutz vor äußeren Einflüssen von einem riesigen Behältnis, gefüllt mit 2.100 Tonnen ultrareinem Wasser umgeben. Dabei ist die Menge der Detektorflüssigkeit enorm: sie besteht (zur Vermeidung von Störsignalen) aus 278 Tonnen einer (organischen) benzolartigen [1] Flüssigkeit. Der Durchmesser des Detektors beträgt insgesamt rund 14 Meter.

Gelangt ein pp-Neutrino in den Detektor und wechselwirkt mit einem der dort vorhandenen Elektronen, entsteht ein schwacher Lichtblitz, der mit Photosensoren gemessen wird. Daraus berechnen die Forscher die Energie des Neutrinos.

Ergebnisse
Die Entdeckung der solaren pp-Neutrinos bestätigt den Aufbau und die Funktionsweise eines sonnenähnlichen Sternes. Die Borex-Messungen bestätigen den Ablauf der Kernfusionsprozesse des Sonneninneren.

Da die frisch erzeugten pp-Neutrinos nur wenige Sekunden vom Kern der Sonne bis zu ihrer Oberfläche benötigen und anschließend rund 8 Minuten bis zur Erde fliegen, „sahen“ die Forscher direkt in den Brennofen unseres Sterns.

Wenn man die Augen (eines Menschen) als Spiegel seiner Seele ansieht, entspricht die Messung dieser Neutrinos nicht nur einem Blick in das Gesicht, sondern direkt in das Innere der Sonne, in ihre Seele“, so Andrea Pocar, einer der beteiligten Forscher.

Mit dem Borexino-Experiment gelingt erstmals der lange gesuchte Beweis, dass rund 99 Prozent der Sonnenenergie durch die oben beschriebene pp-Kette erzeugt wird.

Das erstaunliche Ergebnis der Messung der pp-Neutrinos (im Vergleich zur Messung der Photonenmenge) bestätigt, dass sich die Energieproduktion im Sonnenzentrum innerhalb der letzten 100.000 Jahre nicht verändert hat.

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Information zu astronomischen und physikalischen Begriffen
www. wikipedia.de

[2] Weitere Information über das Borexino-Experiment
www.borex.lngs.infn.it/

[3] Borexino Collaboration, Bellini, G., et al., Nature 412, 383-386 (2014)

 

* Deuterium (D) = Isotop des Wasserstoffs (H) = „schwerer Wasserstoff
   besteht aus einem Proton und einem Neutron

** Borexino = Koseform des Projektnamens BOREX
    (Boron solar neutrino experiment) [1]

 

 

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