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Schwarze Löcher fressen keine Information

Schwarze Löcher [1] gehören zu den faszinierendsten und zugleich rätselhaftesten Objekten im Universum. Schwarze Löcher sind schwarz und daher direkt nicht beobachtbar.

Eine der wichtigsten Fragen der modernen Physik betrifft das sog. Informationsparadoxon [1] Schwarzer Löcher. Es beschäftigt sich mit dem Schicksal von Information, die in Form von Materie - sei es Gas, ein Stern, ein Raumschiff oder ein Astronaut - in ein Schwarzes Loch fällt.

Beispiele
Zerreißen Sie beispielsweise ein Blatt Papier, kann es danach wieder zusammengesetzt werden. Auch wenn die Seite danach sicherlich nicht besonders schön aussieht, kann man die auf dem Blatt enthaltene Information lesen bzw. auswerten. Selbst wenn Sie ein Buch verbrennen, könnten Sie es bzw. die darin enthaltene Information theoretisch aus den Ascheresten rekonstruieren.

Aber was geschieht im Fall von Schwarzen Löchern mit der Information, die in ihrem Inneren "zermalmt" wird? (Abb. 1)

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Abb. 1 Künstlerische Darstellung der Frage, was mit der in der Materie
enthaltenen Information geschieht, wenn diese in ein Schwarzes Loch fällt.
© universe-review.ca

 

Haarlose Schwarze Löcher
Am "Rand" eines Schwarzen Loches wird die sog. Entweichgeschwindigkeit [1], die ein Objekt benötigt, um der Anziehungskraft [1] des Schwarzen Loches zu entkommen, so groß wie die Lichtgeschwindigkeit [1]. Jedoch kann sich kein Objekt schneller als das Licht bewegen.

Die Definition des Randes eines Schwarzen Loches beinhaltet die Aussage, dass ein außenstehender Beobachter nicht sagen kann, was in das Schwarze Loch gefallen ist - weil er nicht hineinschauen oder das hineingefallene Objekt wieder herausholen kann.

"Ein Schwarzes Loch hat keine Haare." Außer der Masse, der Rotation (Spin) [1] und einer möglichen elektrischen Ladung [1] gelangt keine Information über das Schwarze Loch nach außen zu einem außenstehenden Beobachter (Abb. 2). Man kann daher nicht sagen, aus welcher Art Materie das Schwarze Loch besteht bzw. welche Objekte hineingefallen sind. Dabei besitzt jedes Objekt, das dort hineinfällt, eine gewisse Information.

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Abb. 2 Künstlerische Darstellung der Aussage "Ein Schwarzes Loch
besitzt keine Haare." © physicsforme.com

 

Die Aussage über das haarlose Schwarze Loch kann keine Aussage über die der Materie zugehörige Information im Schwarzen Loch bzw. deren Verbleib machen.

Der britische Physiker Hawking [1] proklamierte im Jahr 1974 mit seiner Aussage, dass Schwarze Löcher nicht völlig schwarz sind, die Existenz der sog. Hawking-Strahlung [1]. Allerdings hat er das Problem semi-klassisch [1], ohne die vollständige Berücksichtigung von Effekten der Quantenphysik [1], durchgeführt.

Die Hawking-Strahlung
Wir wissen, dass das Vakuum [1], der "leere" Raum, nicht vollständig leer ist, sondern vielmehr aus sog. virtuellen Teilchenpaaren [1] besteht, die fortwährend entstehen und wieder verschwinden. In unserer makroskopischen Welt bemerken wir nichts davon. *

Am "Rand" eines Schwarzen Loches, dem Ereignishorizont [1], können diese virtuellen Teilchenpaare voneinander getrennt werden: Während ein Partner des virtuellen Paares in das Schwarze Loch fällt, kann der andere virtuelle Partner der Anziehung entkommen und als (reales) Teilchen beobachtet werden (Abb. 3).

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Abb. 3 Schematische Darstellung von virtuellen Teilchenpaaren am Schwarzen Loch.  
Mikroskopisch gesehen entstehen im leeren Raum ständig virtuelle Teilchenpaare
(Pfeile mit roten und blauen Punkten). Am Schwarzen Loch (grauer Bereich) kann
ein Partner den Ereignishorizont (dicke schwarze Linie, Event Horizon) überschreiten
und in das Schwarze Loch fallen (Pfeil unterhalb des Ereignishorizontes), während der andere Partner entkommt (Pfeil bleibt außerhalb des Horizontes).
© minerva.union.eu

 

Allerdings bleiben die Partner des virtuellen Teilchenpaares ewig miteinander verbunden, sie - genauer gesagt ihre Quantenzustände [1] - sind verschränkt [1]. Einem außenstehenden Beobachter erscheint es daher als verliere das Schwarze Loch stetig Masse bzw. als gebe das Schwarze Loch Strahlung ab.

Falls diese Annahme der Realität entspricht, sollte ein Schwarzes Loch tatsächlich Masse verlieren und am Ende seines Lebens aus dem Universum sozusagen "verschwinden".

Jedoch bleibt die Frage, wohin die Information im Inneren des Schwarzen Loches verschwunden ist (wenn das Schwarze Loch verschwindet bzw. verdampft ist). Kann diese Information tatsächlich aus dem Universum verschwinden, beispielsweise durch ein sog. Wurmloch [1] oder bleibt sie doch "irgendwie" in unserem Universum - aber wo?

Lösungen des Informationsparadoxons
Zur Lösung des Paradoxons sind im Laufe der Jahre von vielen Wissenschaftlern unterschiedliche Lösungen vorgeschlagen worden. Während Hawking zunächst vorschlug, dass die Information in einem Schwarzen Loch verschwindet, beharrten andere Wissenschaftler darauf, dass die Information erhalten bleibe und irgendwie zusammen mit der Hawking-Strahlung das Schwarze Loch verlasse.

Alternativ würde ein in das Schwarze Loch fallender Beobachter unterhalb des Ereignishorizontes sogar behaupten, keine Hawking-Strahlung zu beobachten und daher der Meinung sein, die Information bleibe im Schwarzen Loch.

Falls Hawking Recht hätte und Information im Schwarzen Loch verloren geht, würde dies die Prinzipien der Quantenmechanik [1] verletzen; diese besagen, dass Information eine Erhaltungsgröße [1] ist, also nicht verloren gehen bzw. einfach verschwinden darf.

Vor rund 10 Jahren revidierte Hawking seine Meinung (plötzlich) und behauptete fortan, dass Information aus dem Schwarzen Loch doch "irgendwie" herausgelangen könne. Wie dies geschieht, hat er bisher nicht erklärt.

Komplementarität
Die Auffassung eines außenstehenden Beobachters, der die Hawking-Strahlung sieht, und die eines sich im Schwarzen Loch befindlichen Beobachters, der das Gegenteil behauptet, sind komplementär [1]; sie bilden keinen Widerspruch, denn ein Beobachter kann sich nicht gleichzeitig außerhalb und innerhalb des Schwarzen Loches aufhalten. Daher widersprechen sich Aussagen nicht, die jeweils nur einen der beiden Beobachter betreffen. Jedoch löst die Komplementarität dieser Aussagen das Informationsparadoxon nicht.

Neue Erkenntnisse
Nun wagen Wissenschaftler die kühne These, das Informationsparadoxon Schwarzer Löcher existiere nicht [2]. Damit wäre eine 40 Jahre alte Diskussion hinfällig.

Die Physiker Dejan Stojkovic und Anshul Saini der Universität von Buffalo [1] behaupten, dass die Information, die den Ereignishorizont eines Schwarzen Loches überschreitet, nicht verloren ist. Sie untersuchten wie Wechselwirkungen zwischen Teilchen, die einem Schwarzen Loch entkommen, Information über das, was unterhalb des Ereignishorizontes liegt, enthalten können, beispielsweise über die Materie und Energie im Schwarzen Loch.

Falls die beiden Wissenschaftler Recht behalten, wäre dies eine bedeutende Entdeckung.

Teilchenwechselwirkungen lösen das Paradoxon?
Die neuen Berechnungen berücksichtigen nicht nur die Teilchen, die dem Schwarzen Loch entkommen, sondern auch die Wechselwirkungen zwischen diesen Teilchen.

In der so erweiterten Theorie sei ein außenstehender Beobachter in der Lage, aus der Information der dem Schwarzen Loch entweichenden Teilchen (Hawking-Strahlung) Kenntnis darüber zu erlangen, was sich innerhalb des Schwarzen Loches befindet. Die erwähnten Wechselwirkungen betreffen beispielsweise die Gravitationswirkung oder auch den Austausch von Photonen [1].

Bisherige Rechnungen hätten diese Wechselwirkungen als unbedeutend angesehen und seien davon ausgegangen, dass ihr Einfluss gering wäre und keinerlei Auswirkungen auf die Ergebnisse hätte, so die beiden Forscher.
Die neuen Berechnungen zeigen, dass die Korrelationen (zwischen den Teilchen) zunächst gering sind, im Laufe der Simulation jedoch stärker werden und das Ergebnis grundlegend ändert.

Information gehe in einem Schwarzen Loch nicht verloren, sie verschwinde nicht, so Stojkovic.

Ist die Lösung des Informationsparadoxons gefunden?
Die beiden Autoren [2] behaupten, daß der Prozess des Gravitationskollapses und die anschließende Verdampfung des Schwarzen Loches (durch Hawking-Strahlung) [1] - von einem außenstehenden Beobachter aus gesehen - verstanden ist.

Bei ihren Berechnungen benutzen die beiden Forscher eine andere mathematische Formulierung als gewöhnlich und vermieden die Anwesenheit von Antiteilchen [1] (der virtuellen Teilchenpaare). Daher ist es schwierig, ihre Rechnungen mit den Standard-Berechnungen zur Lösung derartiger Fragen zu vergleichen. Die neuen Berechnungen selbst scheinen plausibel und mathematisch korrekt.

Was ist neu an den Berechnungen? - Nichts.
Der Grund für den Informationsverlust liegt darin, dass der außenstehende Beobachter nur einen Teil der Teilchenpaare beobachtet, nämlich die Partner, die dem Schwarzen Loch entkommen können. Jedoch sind diese Teilchen mit den Teilchenpartnern verschränkt, die sich unterhalb des Ereignishorizontes befinden und möglicherweise in die zentrale Singularität [1] oder einen anderen Rest im Inneren fallen.

Genau diese mögliche Zerstörung des "halben" Teilchenpaares in der Singularität führt zu einem Informationsverlust. Daher haben einige Wissenschaftler überlegt, ob sich im Zentrum riesiger Schwarzer Löcher ein neues Baby-Universum [1] befindet (in das die Information verschwindet) -anstelle einer Singularität. Dann könnte der Verlust von Information vermieden werden - denn moderne Theorien gehen davon aus, dass sich im Zentrum eines riesigen Schwarzen Loches keine Singularität befindet, sondern etwas Anderes.

Jedoch ist diese Lösung für einen Teil der Wissenschaftler unbefriedigend, denn der außenstehende Beobachter hat keinen Zugang zu der Information im Zentrum des Schwarzen Loches. Er sieht nicht, ob die Information im Schwarzen Loch verbleibt, in einem Baby-Universum oder einem Rest oder irgendwie anders verschwindet (oder nicht).

Die beiden Autoren [2] ignorieren bei der Betrachtung des Problems (offensichtlich) den Bereich unterhalb des Schwarzen Loches; somit haben sie nicht die gesamte Berechnung durchgeführt, sondern nur für den Bereich um das Schwarze Loch. Im Prinzip haben sie ein bekanntes Problem mit einer anderen Methode berechnet und sind zu einem anderen Ergebnis gekommen. Ein Warnsignal?

Das Problem des Informationsparadoxons ist mehr als 30 Jahre alt, Tausende Veröffentlichungen sind darüber geschrieben worden. Waren diese Berechnungen allesamt falsch?

Weiterhin beschreiben die Autoren [2] leider nicht, weshalb sie das Problem "so einfach" lösen können, sondern lediglich, dass ihre Berechnungen etwas mit anderen Berechnungen über die Verschränkung von Teilchen gemeinsam haben. Leider erklären sie dies ebenfalls nicht.

Die Diskussion
Inzwischen hat sich einer der beiden Forscher [2] (endlich) in eine kritische Diskussion der Veröffentlichung eingemischt. Er argumentiert, dass die Diskussionen über die Ergebnisse überflüssig seien, denn man habe weder im Titel noch im Text der Veröffentlichung den Begriff "Schwarzes Loch" erwähnt.

Die Berechnungen gelten für den Gravitationskollaps [1] eines Objektes, das Strahlung erzeugt, die quantenmechanisch zu betrachten sei. Weiterhin habe man entgegen früheren Berechnungen einen zeitabhängigen Formalismus gewählt, der zahlreiche Vorteile gegenüber den alten Methoden besitze.

In Bezug auf die Ergebnisse der Veröffentlichung sei nur ein sehr wichtiger Aspekt des Informationsparadoxons gelöst worden. Daher habe man nicht den Titel "Lösung des Informationsparadoxons" gewählt. Im Zusammenhang mit Ergebnissen aus früheren Veröffentlichungen (der Autoren) sehe man deutlich, dass quantenmechanische Effekte sehr wahrscheinlich die Existenz einer Singularität im Zentrum vermeiden [Anm.: dies ist bereits lange bekannt]. Daher könne man nun das neue Ergebnis auf Schwarze Löcher und das vollständige Informationsparadoxon anwenden, auch darauf, was ein in das Schwarze Loch fallender Beobachter sähe.

Jedoch erwähnen die Autoren [2] sehr wohl den Begriff Informationsparadoxon im Zusammenhang mit der Physik Schwarzer Löcher und behaupten, dass ein außenstehender Beobachter eine Verdampfung des Schwarzen Loches sähe, die das Herausgelangen von Information impliziert. Entgegen ihrer Behauptung wird dies in der Veröffentlichung jedoch nicht bewiesen. Weiterhin wird Vieles behauptet, das schon längst bekannt ist.

Auf die Nachfrage, wann die Information aus dem Ereignishorizont nach außen trete, antwortet einer der Autoren [2], das "könne man nicht sagen", da "die Masse des kollabierenden Körpers konstant" sei (gehalten wurde). Zudem bitte man die "öffentliche" Diskussion seiner Veröffentlichungen zu unterlassen, er habe "Wichtigeres zu tun".

Ts, ts ... (hier vergißt offensichtlich jemand, dass er aus Steuergeldern bezahlt wird).

Keine neue Aussage zur Verschränkung von Teilchen am Schwarzen Loch.

In der Sprache der Schwarzen Löcher könnte man sagen:
Alice (die in das Schwarze Loch fällt) und Bob (der dies beobachtet) [1] sprechen also nicht (mehr) miteinander (Abb. 4).

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Abb. 4  Schematische Darstellung der Situation von Bob (außenstehender Beobachter)
und Alice (fällt ins Schwarze Loch). Danach können beide nicht mehr miteinander
kommunizieren. © minerva.union.eu

 

Weshalb sprechen Alice und Bob nicht mehr miteinander? - Weil Schrödingers Katze (denn es geht hier um den Einfluss der Quantenphysik) [1] ihre Zungen hat? Nein, ganz so einfach ist es leider nicht.

Science is not people saying you are correct.
Science is the person proving you wrong.

Möglicherweise liegt es auch an den Medien und deren Schlagzeilen, mit denen diese Veröffentlichung in den Vordergrund der Meldungen rutschte. Die Schlagzeilen lauteten "Informationsparadoxon Schwarzer Löcher gelöst" oder so ähnlich. Ähnliches geschah vor dem 2. Lauf des LHC (Large Hadron Collider) [1], bei dem man das Auftreten sog. Micro-Schwarzer Löcher vorhersagte und ebenso das "Ende der Welt" - was bisher nicht erfolgte.

Einer der beiden Autoren [2] wird auf phys.org sogar mit der Behauptung zitiert, dass "Information nicht verloren ist, wenn sie in ein Schwarzes Loch fällt" und "sie verschwindet nicht einfach". Weiter behauptet er, dass ein sich "außerhalb des Schwarzen Loches befindlicher Beobachter Information über die Materie im Zentrum wiederherstellen" könne, indem er die Teilchenwechselwirkungen wie die Gravitationsanziehung" analysiere.
Dabei berechnen die beiden Autoren [2] nicht, was ein außenstehender Beobachter sehen würde.

Streit, unüberbrückbare Differenzen oder ein Mißverständnis?
Es scheint als sei das Informationsparadoxon doch noch nicht gelöst oder noch nicht ganz ... Wir halten Sie auf dem Laufenden wie die Geschichte ausgeht.

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information zu astronomischen und physikalischen Begriffen unter
www.wikipedia.de

[2] Saini, A., Stojkovic, D., Phys. Rev. Lett. 114, 111301 (2015)

[3] Hawking, S. W., CMP 43, 199 (1975)

 

* Link zur Visualisierung der Entstehung und Vernichtung von Teilchenpaaren
(© D. Leinweber) unter
https://d262ilb51hltx0.cloudfront.net/max/1024/1*Yr4wE4q4x2BQ8DtbhqcuQw.gif

 

 

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