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Philae landet auf dem Landeplatz „J“

Jetzt ist es entschieden: Kandidat „J“ ist der Zielort, an dem Rosettas Lander Philae [2, 3] landen soll. Der unter fünf möglichen Landeplätzen ausgewählte Bereich auf 67P/Churyumov–Gerasimenko („Chury“) [1] sei eine wissenschaftlich besonders interessante Region der Kometenoberfläche. Philae könne dort mit einem vergleichsweise „minimalen Risiko“ aufsetzen, so die ESA-Sprecher auf der heutigen Pressekonferenz.

Rosetta [2, 3] befindet sich nunmehr nur etwa 30 Kilometer von Chury entfernt und konnte während der letzten Tage detaillierte Messungen der potentiellen fünf Landplätze durchführen. Am letzten Wochenende diskutierten Ingenieure und Wissenschaftler der Mission zwei Tage lang die vorliegenden Daten und wählten einen Landeplatz sowie einen Ersatzlandeort aus.

Wo befindet sich der Landeplatz J?
Chury besteht aus einem (kleineren) Kopfbereich, einem größeren Hinterteil und einem schmalen, sehr aktiven Verbindungsstück. Churys Kopfteil besitzt an der breitesten Stelle einen Durchmesser von rund 4 Kilometern. Drei der möglichen Landestellen (B, I und J) befinden sich auf dem Kopfteil des Schweifsterns (Abb. 1).

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Abb. 1 Komet Chury und mögliche Landeplätze für Philae,
darunter der primäre Landeort J und der Ersatzlandeort C.
(Aufnahme vom 16.08.2014, Abstand zum Kometen rund 100 km)
© ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team

 

Jedoch erfüllt keiner der zuvor bestimmten möglichen Landplätze sämtliche für die Mission notwendigen Kriterien zu 100 Prozent: Der Zielort J sei jedoch die bestmögliche Lösung für Philaes Landung, so Stephan Ulamec, der Projektleiter des Philae-Teams.

Der nun als primär geltende Landeplatz J [2, 3] befindet sich am „Kopf“ des quasi zweigeteilten (asymmetrischen) Kometen (Abb. 2) und besitzt Ähnlichkeiten mit dem Landplatz I. Das Terrain in diesem Gebiet zeigt interessante Oberflächenstrukturen, die Landschaft scheint weniger zerklüftet als andere Bereiche auf der Oberfläche des Kometen: Hindernisse wie beispielsweise steile Hänge seien dort nicht zu erwarten.

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Abb. 2 Der primäre Landeplatz J (weißes Kreuz) auf dem Kometen Chury.
(linke Aufnahme vom 16.08.2014, Entfernung rund 100 km)
© ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team

 

Wie sieht die Oberfläche am Landeplatz aus?
Der Zielort J (Abb. 3 und 4) besitzt den Vorteil, dass er von der Sonne gut beleuchtet wird, ein wichtiges Argument für die geplanten Experimente und das Wiederaufladen der Batterien des Landers. Für die Radioanalyse des Kometen scheint der Landeplatz J ebenfalls günstiger als der Zielort I. [4]
Allerdings birgt der Landeplatz J problematische Strukturen wie größere Brocken, Brüche und Terrassen; somit ist Philaes Landung mit einem gewissen Risiko behaftet.

Ein weiteres Risiko der Landung im Bereich J ist die in der Nachbarschaft gemessene Aktivität des Kometen. Leider ist nicht absehbar wie sich die Aktivität des Kometen bis zur Landung entwickeln wird. Falls sich Churys Aktivität in unvorhergesehener Weise erhöht, wird Philaes Mission schwierig.

Chury ist ein poröser Himmelsreisender: er besteht aus rund 20 % Eis und 10 % Staub, der Rest ist … ein Nichts. Die mittlere Dichte des Kometen liegt bei rund 102 kg/; dieser Wert liegt unterhalb der Dichte von Kork (150 kg/), Neuschnee (100-200 kg/) oder Balsaholz [1] (100-200 kg/). Chury scheint nicht nur porös, sondern aus kleinen Hohlräumen zu bestehen, die mit Gasen gefüllt sind. Falls dem so ist, könnte das Aufheizen des Kometen durch die Annäherung an die Sonne und die damit verbundene Ausdehnung der mit Gas gefüllten Hohlräume zur Disintegration [1] des Kometen führen.

Die Wissenschaftler glauben, dass Chury aus mehreren Schichten besteht und möglicherweise ursprünglich entweder aus zwei Körpern bestand, die „zusammengebacken“ sind oder Teil eines ursprünglich größeren Kometen ist, der zerbrach [5] – weshalb auch immer.

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Abb. 3 Nahaufnahme des primären Landeplatzes J (weißes Kreuz).
(Aufnahme vom 20.08.2014, Entfernung 67 km, Auflösung: 1,2 m/Pixel)
© ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team

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Abb. 4 Detailaufnahme des primären Landeplatzes J (weißes Kreuz).
© ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team

 

Falls „irgendetwas schief gehen“ sollte, hat Philae die Möglichkeit auf dem Ersatzlandeplatz C, am Hinterteil des Kometen, zu landen.

Was geschieht am 11. November?
Rosetta wird Philae (voraussichtlich) am 11. November abkoppeln. Dann ist der 100 kg schwere Lander auf sich alleine gestellt: Philae soll Churys Oberfläche am gleichen Tag erreichen. Hat sich Philae von Rosetta ausgeklingt, kann ihre Position nicht mehr exakt bestimmt werden. Daher wurde das Landegebiet mit einem Durchmesser von rund einem Kilometer festgelegt.

Innerhalb von rund sieben Stunden nach der Abkopplung wird Philae mit einer Sinkgeschwindigkeit, die der menschlichen Schrittgeschwindigkeit entspricht, auf Churys Oberfläche aufsetzen; für einen sicheren Halt auf der Oberfläche sorgen Harpunen und Schrauben, die sich in Churys Oberfläche bohren. Damit soll das Abprallen des Landers verhindert werden, denn die Anziehungskraft Churys ist nur gering.

Inzwischen weiß man, dass die Oberfläche des Kometen aus einer dicken Staubschicht besteht. Philae wird bei ihrer Landung auf diese weiche Schicht treffen und teilweise einsinken, ähnlich wie bei einer Schicht dünnen

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Abb. 5 Künstlerische Darstellung der Landung Philaes auf dem Kometen Chury. © ESA/ATG MEDIALAB

 

Anschließend sollen die an Bord befindlichen zehn Instrumente und Detektoren unverzüglich in Betrieb genommen werden. Mithilfe eines 360-Grad-Panoramas soll Philaes Standort auf dem Kometen so schnell wie möglich bestimmt werden.

Falls Philae nicht im Bereich J aufsetzt, könnte die Landung rumpelig werden, denn die Umgebung besitzt eine raue Oberfläche.
Wenn alles gut verläuft – und davon gehen die Wissenschaftler aus – wird Philae Messungen vor Ort vornehmen, insbesondere soll das Material, aus dem Chury besteht untersucht werden sowie die Eigenschaften des Kometenkernes und die Prozesse, die die Aktivität des Kometen steuern.

Was geschieht bis zum 11. November?
Rosetta wird in den nächsten Wochen bis zur Landung den Oberflächenbereich J noch genauer untersuchen. Die Daten sollen helfen, Philaes Flugbahn so exakt wie möglich zu berechnen. Am 26. September soll das genaue Datum der Landung veröffentlicht werden.

"Wir haben nur einen Versuch", so der Leiter des Landemanövers. "Am Tag der Landung entscheidet sich alles in wenigen Minuten.“ Für das Aufsetzen "brauchen wir auch Glück. Das wird keine gmahte Wies’n".

Diskussionsrunde der Pressekonferenz am 15. September
Nach der Vorstellung des Landeplatzes für Philae folgte der Pressekonferenz eine ausgiebige Diskussionsrunde. Hier eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte:

  • Aufgrund der 12-stündigen Rotation des Kometen existieren täglich zwei Landefenster für Philae.
  • In der Nähe des Landeplatzes befinden sich Vertiefungen, die bereits jetzt aktiv sein könnten. Problematisch wäre eine heftige Sublimation* des Kometenmaterials vor Philaes Landung. Das Risiko einer Landung erhöht sich, wenn die Aktivität des Kometen schneller voranschreitet als erwartet. Der Landeplatz selbst scheint weniger aktiv zu sein.
  • Möglicherweise ist das unförmige, asymmetrische Aussehen Churys ein Hinweis darauf, dass es sich um ein Fragment eines ehemals größeren Kometen handelt, der auseinanderbrach. Der Komet könnte auch das Ergebnis einer Kollision zweier Objekte sein. Die Wissenschaftler können derzeit nicht ausschließen, dass Chury bei seiner weiteren Annäherung an die Sonne auseinanderbrechen wird.
  • Die erneute Frage nach „mehr Bildmaterial“ an Herrn Sierks resultierte in keiner einleuchtenden Antwort: Sierks ist der Auffassung, dass die Navigatoren der Mission zwar viele Bilder benötigten, jedoch die wissenschaftliche Auseinandersetzung eher Sequenzen von Bildern erfordere, um Veränderungen am Kometen festzustellen: „... before we can tell the story, we need to understand ...“.
  • Zudem halte man Bilder zurück, bevor das „Verbrauchmaterial“ ausgehe. Weiter wolle man erst einmal die erste Ladung der Daten und Bilder verarbeiten.Das zahlreiche Bildmaterial für die Navigatoren „sei etwas Anderes“ - was immer dies bedeuten soll [Anmerkung des Autors].Zugleich bezeichnet Sierks die Mission als „historisch“ und „Quantensprung“. Tägliche Bilder der Mission gibt es dennoch nicht …

Ein Kritiker, der ähnliche Kommentare von Sierks bereits auf dem in der letzten Woche stattfindenden EPSC-Kongress [6] notierte, erinnert sich an die Ankündigung, eine große Anzahl von Ergebnissen erst Ende des Jahres nach der Landung von Philae veröffentlichen zu wollen [7] und kommentiert dies mit den Worten:
Meiner Meinung nach eine etwas riskante Strategie – falls Philae hilflos rudernd im Kometenstaub versinkt, könnte das den Eindruck der Gesamtmission als Fehlschlag erwecken. Dabei ist der Orbiter bereits jetzt ein voller Riesenerfolg [...]“.

  • Die ESA ruft zu einer Namensgebung des Landeplatzes J auf.

 

Falls Sie Fragen und/oder Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Information über astronomische und physikalische Begriffe
www.wikipedia.de

[2] Mehr Information über die ESA, Rosetta und Philae
http://www.esa.int/ESA
http://www.dlr.de

[3] Weitere Information über Chury und Kometen auf unserer Webseite
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles__rosetta.html
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles_atmosphaere_von_kometen.html
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles_philae.html
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles__neues_rosetta.html

[4] Mehr Information zu den Oberflächenstrukturen der potentiellen Landeplätze
http://www.dlr.de

[5] Pressekonferenz der ESA am 15. September
http://www.esa.int

[6] European Planetary Science Congress (EPSC) 2014
www.epsc2014.eu

[7] http://exoplanetar.org

 

* Chury befindet sich im leeren Raum. Daher verwandelt sich aus seiner Oberfläche austretendes Eis unmittelbar in Gas (Sublimation). Mit zunehmender Annäherung an die Sonne nimmt diese Sublimation zu.

 

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