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Noch mehr Quark - äh "Quarks"

Der Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hadron Collider) [1] an der französisch-schweizerischen Grenze ist nicht nur für Schlagzeilen über das Higgs-Teilchen [1] oder die Entstehung vermeintlicher Mini-Schwarzer Löcher [1] bekannt.

Nun könnte ein Thema aus der Physik der exotischen Elementarteilchen [1], der sog. Quarks [1], für Schlagzeilen sorgen: Eine Gruppe von Wissenschaftlern will bizarre neue Familienmitglieder der Protonen [1] und Neutronen [1], aus denen Atomkerne [1] bestehen, beobachtet haben.

Protonen und Neutronen bestehen aus noch kleineren Teilchen, den Quarks; Quarks sind miteinander durch die auf kurzen Strecken wirkende starke Kernkraft [1] verbunden. Zwischen Quarks wirkt die Kernkraft so extrem stark, dass man aus einem Verbund dreier Quarks kein einzelnes Quark herausschlagen kann.

In Teilchenbeschleunigern hat man in der Vergangenheit durch die Kollision von Teilchen wie Protonen zahlreiche neue Hadronen [1] entdeckt. Hadronen bestehen aus Quarks. Dabei bestehen die Baryonen [1] wie das Proton und das Neutron aus jeweils 3 Quarks; Mesonen [1] dagegen beinhalten jeweils
2 Quarks. (Abb. 1)

Tetra und Penta
Im letzten Jahr entdeckten Forscher am LHC erstmals Teilchen, die aus

5 Quarks bestehen, sog. Pentaquarks [1], im Jahr 2014 fand man sogar Teilchen, die aus 4 Quarks, sog. Tetraquarks [1], bestehen. (Abb. 1)

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Abb. 1 Schematische Darstellung des Aufbaus von Baryonen, Mesonen,
Tetra- und Pentaquarks. Die Querstriche über dem Buchstaben "q"
bezeichnen Anti-Quarks. Die unterschiedlichen Farben und Farbfüllungen
die jeweiligen Arten der Quarks (flavour).
© F. R. Villatoro/yahw

 

Allerdings bestehen Tetra- und Pentaquarks nur für den Bruchteil einer Sekunde (eine Quadrillionstel Nanosekunde [1]). Diese Vorgänge können mithilfe einer komplexen Theorie beschrieben werden, der sog. Quantenchromodynamik (QCD) [1]. Die neuen Beobachtungen sind dabei diese Theorie zu revolutionieren.

Man könne die QCD nur verstehen, wenn man wisse welche Kombinationen von Quarks stabil sind (existieren) und welche nicht; Man befinde sich derzeit in dieser Entdeckerphase, so einer der beteiligten Wissenschaftler.

Das komplexe Sozialleben von Quarks
Quarks sind die fundamentale Zutat für fast alle Arten von Materie. Doch ihr Verhalten ist komplex und bisher teilweise unverstanden. Ähnlich wie die elektromagnetische Kraft [1] negativ geladene Elektronen [1] an die sich im Atomkern befindlichen positiv geladenen Protonen bindet, verhält sich die starke (Kern)Kraft.

Doch im Gegensatz zur elektrischen Ladung [1] gewöhnlicher Teilchen, die entweder positiv oder negativ ist (oder Teilchen, die überhaupt keine Ladung besitzen wie das Neutron [1]), existieren bei Quarks 3 bzw. 6 Arten der starken Ladung, die man als "Farben" [1] bezeichnet: rot, blau und grün, aber auch anti-rot, anti-blau und anti-grün.

Erlaubte Kombinationen dieser Farbladungen von Quarks ergeben die Farbe "weiss" oder "farblos". Beispielsweise enthält ein Baryon - bestehend aus 3 Quarks - ein rotes, ein blaues und ein grünes Quark; das ergibt in der Kombination die Farbe weiss. Ein Meson - bestehend aus 2 Quarks - enthält jeweils ein Quark und ein Antiquark [1], das eine Anti-Farbe trägt; beispielsweise ein rotes Quark und ein anti-rotes Antiquark; in der Kombination ergibt das eine farblose Quarkverbindung. (Abb. 2)

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Abb. 2 Schematische Darstellung der Färbung von Quarks bei deren Kombination. Beispielsweise ergibt die Kombination eines roten, eines blauen und eines grünen Quarks in Protonen und Neutronen die Farbe weiss (links). Dagegen ergibt die Kombination eines roten und eines anti-roten Quarks - wie im Fall von Mesonen - ebenfalls die Farbe weiss.
© McLean County Unit District Number 5/yahw

 

Die Quarks selbst existieren in 6 Gruppen (flavour [1]): up- und down-Quarks [1] in gewöhnlicher Materie [1], die schwereren charm-, strange-, top- und bottom-Quarks [1], die wir aus Kollisionen in Beschleunigern kennen. (Abb. 1)

Doch ist die Kombination dieser Gruppen meist hochgradig instabil. Ein Beispiel für ein stabiles Teilchen ist das Proton: es besteht aus 2 up- und einem down-Quark. Dagegen ist die Kombination aus einem up-, einem down- und einem bottom-Quark instabil; sie bilden das kurzlebige lambda-b-Teilchen (λb)[1].

Der Beweis für die Existenz der zumeist exotischen Kombinationen von Quarks bzw. der dazugehörigen kurzlebigen Teilchen erfolgt meistens indirekt, da isolierte Quarks aufgrund der starken Kernkraft niemals einzeln bzw. isoliert vorkommen. Selbst wenn man für einen ultrakurzen Moment in der Lage wäre, ein Quark aus einem Proton herauszuschlagen, würde es sich sofort mit Quarks und Antiquarks aus dem Vakuum [1] umgeben und neue Baryonen und Mesonen bilden.

Quarks und Gluonen
Quarks kleben sozusagen wie Mega-Kletten aneinander; dabei tauschen sie sog. Gluonen [1] aus, die wiederum selbst Gluonen miteinander austauschen (Abb. 3). Mit einem Mega-Mikroskop sähe das wahrscheinlich aus wie eine undurchdringliche Suppe aus (virtuellen) Quarks und Gluonen.

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Abb. 3 Schematische Darstellung des Aufbaus eines Deuterium-Atomkerns [1].
Die beiden Wasserstoffkerne [1] bestehen aus jeweils einem Proton, das wiederum aus jeweils 3 Quarks besteht. Die Quarks tauschen Gluonen aus, die sie zusammenhalten. © CERN

 

Die Existenz von Teilchen, die aus mehr als 3 Quarks, bestehen wurde bereits in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts vorhergesagt, unter anderem von Gell-Mann [1] und Zweig [1].

Entdeckungen im Jahr 2003 und 2008
Im Jahr 2003 entdeckten Physiker mithilfe des Belle-Detektors [1] am LEPS [1] in Japan beim Beschuss von Kohlenstoff [1] mit hochenergetischen Photonen [1] ein (vermeintliches) Pentaquark, das aus 2 up-, 2 down- und wahrscheinlich einem anti-strange Quark bestand, das q+ [1].

Neun andere Experimente konnten die Existenz dieses exotischen Teilchens bestätigen. Danach verschwand das q+ plötzlich. Seitdem hat kein Experiment das Teilchen jemals wieder messen können. Eine sehr seltsame und bisher unerklärbare Situation. Andere Wissenschaftler bezweifeln, dass es überhaupt jemals existiert hat.

Seitdem liegt ein Schatten auf jeder vermeintlichen Entdeckung
einer Kombination mit mehr als 3 Quarks.

Im Jahr 2003 wurde ebenfalls in Japan am KEKB-Beschleuniger [1] ein Teilchen entdeckt, das einem Pentaquark ähneln könnte. Es bestand aus einem charm, einem anti-charm- sowie einem leichten quark-anti-quark-Paar. Das neue Teilchen erhielt die Bezeichnung X(3872) [1]. Das gleiche Experiment brachte im Jahr 2008 ein noch schwereres potentielles Tetraquark hervor, das Z(4430) [1]. Innerhalb der letzten Jahre wurden weitere Kandidaten für Tetraquarks gefunden.

Neue Messungen
Nun haben Forscher am LHC nicht nur die wiedergefundene Existenz des Belle-Tetraquarks (aus dem Jahr 2003) bestätigen können, sondern auch deutliche Hinweise auf die Existenz von zwei Pentaquarks unterschiedlicher Masse [2], die aus jeweils 3 up-, einem down-, einem massereichen charm- und einem anti-charm-Quark bestehen. Die Masse der beiden Pentaquarks entspricht etwa dem 4,74- bzw. 4,67-fachen Masse des Protons.

Zuerst trauten die Forscher ihren Augen nicht und führten weitere Experimente zur Bestätigung ihrer Messung durch. Dabei konnten die Wissenschaftler auch das bereits zuvor beobachtete Z(4430)-Tetraquark bestätigen.

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Abb. 4 Schematische Darstellung des möglichen Aufbaus von Pentaquarks.
Möglicherweise existieren zwei Möglichkeiten für den inneren Aufbau von Pentaquarks:
eine Möglichkeit ist die Bindung der Quarks in einem sphärischen System, ähnlich einer Kugel (links); die andere Möglichkeit (rechts) beschreibt ein Meson (blau-grüne Kugel), das schwach an ein Proton (rötlich-orangfarbene Kugel) gebunden ist.
© Am. Phys. Soc./C. Cain

 

Wie halten Tetra- und Pentaquarks zusammen?
Die eine Seite des Experimentes ist die Beobachtung, die andere die dazugehörige Theorie. Falls es sich bei den beobachteten Teilchen tatsächlich um Tetra- und Pentaquarks handelt, wie halten diese zusammen?

Eine Möglichkeit besteht darin, dass die Kombination aus 4 bzw. 5 Quarks klumpig in einem System zusammenhält. Eine andere Art des Aufbaus entspräche eher dem von Molekülen, beispielsweise einem Meson aus 2 Quarks und einem Baryon aus 3 Quarks, die so miteinander verbunden sind, dass sie nach aussen wie ein Pentaquark erscheinen. (Abb. 4)

Das Molekül-Modell könnte nicht nur erklären, weshalb Tetra- und Pentaquarks relativ langlebig sind, sondern auch die einzelnen beteiligten Quarks davon abhält aus dem System "auszubrechen" und neue Teilchen zu bilden. Die Quarks befinden sich sozusagen in einer Art "Tasche", aus der sie nicht mehr einfach herauskommen. Allerdings kann das Molekül-Modell nicht erklären, weshalb Pentaquarks unterschiedlicher Masse existieren.

Die Entdeckung der neuen Quarkformationen rüttelt an der Theorie der QCD.

Neues Quark-Modell oder Gaukler?
Denkbar ist ein neues Modell, das auf einem kontinuierlichen Quarkfeld - ähnlich dem Gravitationsfeld [1] - basiert und in dem Knoten innerhalb des Feldes die entsprechenden Teilchen bilden. Das erinnert an die Theorie der Quantenschleifengravitation (LQG) [1], die versucht die Theorie der Gravitation [1] mit der Quantentheorie [1] zu vereinen; das dabei verwendete Knotenmodell erhielt seine Inspiration von der "Knotensprache" Khipu [1] der Inka [1].

Es ist möglich, dass die Tetra- und Pentaquarks nicht real sind, sondern ihre Messung vielmehr auf einer Kombination von Mesonen und Baryonen beruht, die beispielsweise das Signal des Zerfalls eines Pentaquarks lediglich vorgaukeln.

Nun wollen die Forscher versuchen derartige Effekte auszuschliessen und die Beobachtungen mithilfe von Computersimulationen zu überprüfen. Die Simulationen können zwar mit exotischen Teilchen umgehen, jedoch sind sie nicht in der Lage klare Antworten über die Natur dieser Materie zu geben.
Denkbar wäre auch, dass ein Pentaquark etwa 40 Prozent seiner Lebensdauer als Baryon-Meson-Molekül verbringt und weitere 40 Prozent in einer 5-Quark-Tasche, so einer der Beteiligten. Bisher weiss das niemand.

Der LHC befindet sich derzeit im Winterschlaf: seit dem 14. Dezember wird die komplette Anlage überprüft, gewartet und Teile erneuert. Nach einem ausgiebigen Test im Februar soll das LHC Ende März erneut starten. Wir sind gespannt, ob uns die Quarks nur an der Nase herumführen oder es tatsächlich neue Einblicke in deren Physik gibt.

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information über astronomische Begriffe
www.wikipedia.de

[2] Science (14 Jan 2016)

[3] Stone, S., et al., Phys. Rev. Lett. (August 2015)

[4] Mehr Information zur vermeintlichen Entdeckung von Pentaquarks
http://news.syr.edu
http://home.cern

 

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