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Hutzi Spechtler  
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Neue (kleine) Nachbarn der Milchstraße

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Anzahl der Satellitengalaxien [1] in der Nähe der Milchstraße [1] bzw. in ihrem Außenbereich stetig erhöht. Nun haben Astronomen erneut neue (kleine) Nachbarn der Galaxis [1] gefunden.

Zwerggalaxien
Bei sog. Zwerggalaxien [1] handelt es sich um die kleinste Form einer galaktischen Struktur. Manchmal enthält eine Zwerggalaxie lediglich rund 5.000 Sterne (Vergleich: die Milchstraße enthält mindestens 200 Milliarden Sterne).

Die SDSS-Durchmusterung (Sloan Digital Sky Survey) [1] umfasst zwar bisher nur rund ein Fünftel des Sternenhimmels, jedoch konnte diese Durchmusterung die Anzahl der bekannten galaktischen Zwerggalaxien mehr als verdoppeln.

Die hohe Ausbeute der SDSS in Bezug auf die Entdeckung von neuen Zwerggalaxien ist insbesondere der besonderen Sensitivität für extrem lichtschwache und kleine Objekte, die sog. ultra-lichtschwachen Zwerggalaxien (ultra-faint dwarfs, UFD) [1] zu verdanken.

Für die Klassifikation eines neu entdeckten Objektes wie einer Zwerggalaxie ist jedoch neben hochauflösenden Beobachtungen eine Kombination von morphologischen, kinematischen und chemischen Eigenschaften notwendig.

9 neue Satelliten

Ein Team der Universität von Cambridge [1] entdeckte nun mithilfe von Daten der (automatisierten) DES (Dark Energy Survey) [1] am Südsternhimmel insgesamt 9 neue Satelliten der Milchstraße (Abb. 1).

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Abb. 1 Anblick des Sternenhimmels mit den bisher bekannten Zwerggalaxien
(blaue Kreise) und den neu entdeckten Satelliten (rote Kreise), die sich
außerhalb der Ebene der Milchstraße befinden.
Rechts unten, oberhalb der roten Kreise, befinden sich die beiden
Magellanschen Wolken (s. Abb. 2). - Als Basis der Aufnahme diente die
2MASS-Durchmusterung (Two Micron All Sky Survey) [1].
© Mao, Kaehler, Wechsler/KIPAC/SLAC

 

Bei drei der neuen Satelliten handelt es sich um sehr kleine Zwerggalaxien. Die neuen Nachbarn befinden sich in der Nähe der beiden größten Satelliten der Milchstraße, der Großen (LMC) und der Kleinen Magellanschen Wolke (SMC) [1] (Abb. 2).

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Abb. 2 Anblick des Südsternhimmels mit den Magellanschen Wolken.
Am Sternenhimmel machen sich die LMC und die SMC als helle Wolken
(in der Bildmitte, links: LMC, rechts oberhalb: SMC) bemerkbar.
© ESO

 

Die beiden größten Satelliten der Milchstraße sind nach dem portugiesischen Seefahrer Fernão de Magalhães [1] benannt. [Anm.: Die beiden Galaxien müßten daher "Magalhansche" (port. Schreibweise) und nicht Magellansche (spanische Schreibweise) Wolken heißen.]

Die Entdeckung dieser großen Anzahl von Satellitengalaxien innerhalb eines relativ kleinen Himmelsbereiches ist erstaunlich.

Drei der neu entdeckten Zwerggalaxien konnten eindeutig als Galaxien identifiziert werden. Bei den restlichen 6 Objekten könnte es sich entweder um Zwerggalaxien oder sog. Kugelsternhaufen [1] handeln.

Der der Milchstraße nächstgelegene neue Satellit ist nur rund 97.000 Lichtjahre (Lj) [1] von uns entfernt. Er befindet sich im Sternbild Kleines Netz (Ret) [1]. Wahrscheinlich wird diese Zwerggalaxie derzeit von den enormen Gezeitenkräften [1] der Milchstraße auseinandergerissen.

Der entfernteste und hellste neue Nachbar ist rund 1,2 Millionen Lj von uns entfernt und befindet sich im Sternbild Eridanus (Fluss Eridanus, Eri) [1]. Diese Zwerggalaxie scheint gerade von der Milchstraße eingesogen zu werden.

Unsere neuen Nachbarn
Bei den neu entdeckten Objekten (Abb. 3) handelt es sich um:

Reticulum 2
ein ausgedehntes Objekt, befindet sich an der Grenze des Bereiches der Kugelsternhaufen im Halo; entweder eine Zwerggalaxie oder ein ausgedehnter Kugelhaufen; Entfernung 6.500-98.000 Lj. (ungenau)

Eridanus 2
entferntestes Objekt der Gruppe, ausgedehnte Struktur, Entfernung rund 1,2 Mio. Lj, Ausdehnung rund 550 Lj, enthält lichtschwache blaue Sterne, enthält möglicherweise einen sehr lichtschwachen (diffus aussehenden) Kugelsternhaufen

Horologium 1
Entfernung rund 2,1 Mio. Lj (wie 6 andere Zwerggalaxien), Durchmesser rund 100 Lj, wahrscheinlich eine ultra-lichtschwache Zwerggalaxie

Pictoris 1
ultra-lichtschwache Zwerggalaxie, Entfernung rund 370.000 Lj, befindet sich am Himmel nahe der LMC, Durchmesser rund 100 Lj

Phoenix 2
ultra-lichtschwache Zwerggalaxie, Entfernung rund 260.000 Lj

Indus 1
ultra-lichtschwache Zwerggalaxie, Entfernung rund 320.000 Lj

Grus 1
Entfernung rund 390.000 Lj, Durchmesser rund 190 Lj, wahrscheinlich eine Zwerggalaxie

Eridanus 3
Entfernung rund 290.000 Lj, kleinster neuer Satellit

Tucana 2
wahrscheinlich eine ultra-lichtschwache Zwerggalaxie, ausgedehntes Objekt, Durchmesser rund 520 Lj, Entfernung rund 190.000 Lj

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Abb. 3 Anblick des Südsternhimmels mit den Magellanschen Wolken
(LMC und SMC) und einigen der neu entdeckten Galaxien.
© ESO/Univ. of Cambridge

 

Bei den neu entdeckten Satelliten handelt es sich um einige der lichtschwächsten Satelliten der Milchstraße. Die Mehrheit der Satelliten befindet sich in einer Entfernung von rund 320.000 Lichtjahren. Somit liegen die Satelliten als Gruppe unweit der LMC (Entfernung rund 165.000 Lj) und direkt hinter der Bahn der SMC (Entfernung rund 230.000 Lj).

Ursprung der neuen Satelliten
Möglicherweise handelt es sich bei den neuen Nachbarn um ehemalige Satelliten der Magellanschen Wolken [1]. Sie könnten durch die Wechselwirkung zwischen der Großen und der Kleinen Magellanschen Wolke aus ihrer Bahn geschleudert worden sein.

Alternativ könnte es sich um einen Teil einer ehemals riesigen Galaxiengruppe handeln, der auch die LMC - als massereichster Teilnehmer - und die SMC sowie die neuen Nachbarn angehörten. Möglicherweise wurde das zentrale Objekt dieser großen Galaxiengruppe zerstört. Seine Überreste könnten als Gezeitenreste im Halo [1] der Milchstraße beobachtbar sein. Allerdings könnten die Satelliten des ehemaligen zentralen Objektes überlebt haben und sich nun ebenfalls im Milchstraßenhalo befinden.

Die Magellansche Gruppe
Falls dies richtig ist, könnte die (gesamte) Magellansche Gruppe in die Lokale Galaxiengruppe [1], der die Milchstraße und die Andromedagalaxie (M31) [1] als größte und massereichste Mitglieder angehören, hineingefallen sein und mit sieben hellen Satellitengalaxien (LMC, SMC, Draco, Sextans, Sagittarius, Ursa Minor und Leo II [1]) bereichert haben.

Selbst wenn nicht alle der genannten Satellitengalaxien auf diese Art und Weise in die Lokale Gruppe hineingeraten sind, zeigen Simulationen, dass ein derartiger Einfall einer Gruppe kleiner Galaxien in einen größeren Galaxienhaufen keine Seltenheit ist.

Möglicherweise spielen die Magellanschen Wolken in diesem Szenario eine besondere Rolle. Darauf deutet eine bisher ungeklärte Übereinstimmung der Ausrichtung einiger dieser Zwerggalaxien und dem Gasstrom aus den Magellanschen Wolken. Auch bekannte Zwerggalaxien wie die Systeme DracoUrsa Minor befinden sich in der Ebene der Magellanschen Wolken (Abb. 4).

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Abb. 4 Schematische Darstellung der Magellanschen Wolken und des
Magellanschen Stroms (aus neutralem Wasserstoff (HI) [1]).
Die blauen Wolken entsprechen dem Magellanschen Strom mit den Positionen
der LMC und der SMC. Die Detailaufnahmen zeigen den größten neu
entdeckten Satelliten (Eridanus 2) und den kleinsten Satelliten (Indus 1).
© Belokurov et al./Univ. of Cambridge, M. Putman/Columbia Univ. (HI-Aufnahme).

 

Diese Idee zur Herkunft der Magellanschen Gruppe wird von Strukturen des Systems aus unserer großen Nachbargalaxie, der Andromedagalaxie, und deren Anordnung von Satellitengalaxien gestützt. Die Hälfte der Satellitengalaxien von M31 befindet sich in einer dünnen Ebene. In der Centaurus-Galaxiengruppe [1] befinden sich 27 von 29 Satellitengalaxien innerhalb einer oder zwei fest definierten Ebenen.

Neue Simulationen zeigen, dass rund ein Drittel der Satellitengalaxien der Milchstraße aus der Gruppe um die Magellanschen Wolken stammen.
Im Fall der neu entdeckten Zwerggalaxien scheinen diese allesamt auf die Milchstraße zu fallen. Dabei macht insbesondere eine Satellitengalaxie durch ihre relativ große Ausdehnung von sich reden; möglicherweise deutet dies direkt auf den Einfluss der Gezeitenkräfte der Milchstraße auf die kleinen Begleitgalaxien hin.

Lage und Entfernungen
Der entfernteste neue Satellit der Milchstraße, eine Zwerggalaxie, die sich am Rand des Milchstraßenhalos in rund 1,2 Mio. Lj Entfernung befindet, zeigt sogar Anzeichen von Sternentstehung und besitzt möglicherweise sogar einen eigenen Kugelsternhaufen.

Die Masse der Satellitengalaxien der Milchstraße summiert sich mit den neu entdeckten Satelliten auf rund 5-10 Prozent der Gesamtmasse der Milchstraße. Der Radius der Satelliten beträgt rund 490.000 Lichtjahre und entspricht Messungen bei ähnlichen Systemen.

Die Entdeckung einer derart großen Anzahl von Satelliten der Milchstraße in einem kleinen Raumbereich in der Nähe der Magellanschen Wolken deutet darauf hin, dass es sich bei zumindest einem Teil der neu entdeckten Objekte um ehemalige Mitglieder der Magellanschen Galaxiengruppe handelt.

Wie sieht die Bahn der Magellanschen Galaxiengruppe aus?
Unabhängig von den Massen der Milchstraße und der LMC scheint die LMC sich auf dem Weg ihres ersten Einfalls auf die Milchstraße zu befinden. Hinweise darauf basieren auf der anomalen Blaufärbung der LMC aufgrund der hohen, durch den Einfall in die Milchstraße getriggerten Sternentstehungsrate.

Daraus ergibt sich eine Bahnperiode der LMC von rund 9 Milliarden Jahren. Das deutet darauf hin, daß die Magellansche Gruppe bereits vor sehr langer Zeit begann auf die Lokale Gruppe zu fallen.

Simulationen zeigen auch, dass die LMC und die SMC erst vor relativ kurzer Zeit eine sehr enge (wahrscheinlich spektakuläre) enge Begegnung hatten. Die großen Gasmengen des Magellanschen Stroms [1], die irreguläre Form der SMC und die asymmetrische Lage der Balkenstruktur [1] der LMC sind wahrscheinlich das Ergebnis dieser Begegnung(en) - und nicht der Einwirkung durch die Milchstraße. Dabei könnten auch Satellitengalaxien und Kugelsternhaufen der LMC und der SMC aus ihrer Bahn geraten sein.

Weitere Satellitengalaxien?
Neue Modelle sagen mehrere Hundert Zwerggalaxien in der Nähe der Milchstraße voraus. Jedoch sind diese Satellitengalaxien wahrscheinlich mehrheitlich lichtschwach und daher schwer auffindbar. Bisher konnten rund 30 Satelliten der Milchstraße identifiziert werden.

Die Satelliten Reticulum 2, Horologium 1 und Eridanus 3 befinden sich in Richtung der Bahnebene der LMC und bilden sozusagen deren Entourage. In ähnlicher Art und Weise bilden die Satelliten Tucana 2, Phoenix 2 und Grus 1 wahrscheinlich die Entourage der SMC.

Sämtliche dieser Satelliten folgen den Magellanschen Wolken auf deren Bahn um die Milchstraße. Daher sollte ebenso eine Gegenpopulation aus Satelliten existieren, die ihnen voranschreitet. Die Astronomen sind bereits auf der Suche nach ihnen.

Waldmanns Heil
für weitere interessante Entdeckungen in der Lokalen Gruppe!!!
 

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information über astronomische Begriffe
www.wikipedia.de

[2] Koposov, S.E., et al., ApJ in press (May 2015)

 

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