Header image  
Hutzi Spechtler  
   Jahreskalender - aktuelle Zeit Deutschland
 

 
 
 
 

Neues von der Milchstraße

(I) Die Milchstraße ist größer als vermutet

Die Milchstraße [1], unsere kosmische Heimat, ist nach neuesten Beobachtungen um rund 50 Prozent größer als bisher angenommen. Unsere Galaxis [1] ist demnach nicht nur in mehrere Spiralarme [1] unterteilt, sondern zeigt einige bisher unbekannte konzentrische wellenartige Strukturen [2].

Die sensationelle Entdeckung erfolgte durch die Analyse von Beobachtungen der Sloan Digital Sky Survey (SDSS) [1], die bereits vor rund 10 Jahren die Existenz eines "Ringes aus Sternen" ausserhalb der Ebene der Milchstraße bekanntgab. Die Datenanalyse erfolgte durch ein internationales Team unter der Leitung von Heidi Jo Newberg vom Rensselaer Polytechnischen Institut (RPI) [1, 3].

Wie sieht die Milchstraße aus?
Die Auswertung der Beobachtungen weist darauf hin, dass die Milchstraße keine flache Scheibe ist, sondern außerhalb der Position der Sonne mindestens vier wellenartige Strukturen enthält.

In diesem Bereich hatten die Forscher einen Ring aus Sternen in einer Entfernung von rund 60.000 Lichtjahren entdeckt. Der Sternenring entpuppte sich nunmehr als eine Wellenstruktur in der Scheibe der Milchstraße. Schaut man - von der Sonne aus gesehen - in der Milchstraße nach außen, beobachtet man eine Art Störung in der Ebene der Milchstraße, die einer Folge von Wellenbergen und -tälern ähnelt.

Wahrscheinlich existieren derartige Strukturen innerhalb der gesamten Milchstraße.

Aufgrund der Auswertung der Struktur der Milchstraße vergrößert sich der Durchmesser der Galaxis von rund 100.000 Lichtjahren [1] auf rund 150.000 Lichtjahre; somit wäre die Milchstraße um rund 50 Prozent größer als bisher vermutet!

Entdeckung des Monoceros-Ringes
Die aktuelle Veröffentlichung der Forscher basiert auf der im Jahr 2002 gemachten Beobachtung des sog. Monoceros-Ringes(Mon, Sternbild Einhorn) [1] (Abb. 1), einer Region mit überdurchschnittlich vielen Sternen in einem weiter außen liegenden Bereich der Milchstraße, der sich oberhalb der Milchstraßenebene befindet.

milch

Abb. 1  Schematische Darstellung der äußeren Struktur der Milchstraße.
Die Markierung (innen) bezeichnet die Position der Sonne (Our Sun).
Weiter außen liegen der Monoceros- und der Triangulum-Andromeda-Ring.
Die übrigen Strukturen bezeichnen zwei weitere Wellenstrukturen
(South Middle Structure und North Near Strukcture). © RPI

 

Ebenso wurde eine weitere Region mit überdurchschnittlich vielen Sternen beobachtet, die sich zwischen dem neu entdeckten Monoceros-Ring und der Sonne befindet. Detailuntersuchungen ergaben, dass es sich bei diesen Sternen nicht um gewöhnliche Sterne der Milchstraßenscheibe handelt.

Vielmehr handelt es sich der neu entdeckten Ansammlung entweder um einen weiteren Ring der Milchstraße oder eine stark auseinandergerissene sog. Zwerggalaxie [1].

Bei der weiteren Datenanalyse fanden die Wissenschaftler insgesamt vier Anomalien:
eine Anomalie befindet sich nördlich der galaktischen Ebene in einer Entfernung von etwa 6.500 Lichtjahren von der Sonne *, eine weitere Anomalie wird südlich der Ebene bei einer Entfernung von 13.000-20.000 Lichtjahren beobachtet; die dritte Anomalie befindet sich nördlich in einer Entfernung von 26.000-32.000 Lichtjahren Entfernung, die Vierte südlich in einer Entfernung von 39.000-52.000 Lichtjahren Entfernung von der Sonne (Triangulum-Andromeda).

Der bereits erwähnte Monoceros-Ring befindet sich bei der 3. Wellenstruktur.
Interessanterweise fallen diese Oszillationen mit den Positionen der Spiralarme der Milchstraße zusammen.

Die Anomalie in Richtung der Sternbilder Triangulum-Andromeda fällt mit Strukturen zusammen, die bereits als große Wasserstoffwolken identifiziert werden konnten (Abb. 2).

milch

Abb. 2 Schematische Darstellung der intergalaktischen (Wasserstoff-)Wolken
in Richtung der Sternbilder Triangulum und Andromeda. Rechts oben befindet sich
die Andromedagalaxie (M31), links unten die (kleinere) Galaxie M33.   
©  NRAO/AUI/NSF

 

Eine zerrissene Zwerggalaxie?
Andere aktuelle Beobachtungen deuten diese Wellenstruktur als Ergebnis der Passage einer Zwerggalaxie bzw. einer Struktur aus sog. Dunkler Materie [1]. Ein Kandidat für die Zwerggalaxie ist die sog. Sagittarius-Zwerggalaxie (Abb. 3), die vor mehr als zehn Jahren entdeckt wurde.

milch

Abb. 3 Schematische Darstellung der Position der Sagittarius-Zwerggalaxie
relativ zum Galaktischen Zentrum (Bildmitte) und der Scheibe der Milchstraße.  
© http://prancer.physics.louisville.edu

 

Diese Beobachtungen könnten helfen, die Verteilung der Dunklen Materie [1] innerhalb der Milchstraße zu vermessen.

Anschaulich lässt sich die Entdeckung der Wellenstruktur der äußeren Milchstraße mit dem Wurf eines Kieselsteines in einen ruhigen See vergleichen. Die Wellen um den versunkenen Stein breiten sich nach außen aus. Wenn eine Zwerggalaxie in die Scheibe der Milchstraße eintaucht, würde sie beim "Eintauchen" die Scheibe bzw. das darin befindliche Material nach "oben" ziehen und nach der Passage nach unten. Dabei entsteht ein Wellenmuster, das sich nach außen fortbewegt (Abb. 4).

milch

Abb. 4 Schematische Darstellung der Wellenstruktur der Milchstraße.
Die Markierung bezeichnet die Position der Sonne (Our Sun). © RPI

 

Falls die Monoceros- und Triangulum-Andromeda-Ringe real sind, bedeutet das, dass die Milchstraße wesentlich größer ist als bisher vermutet und einen Radius von mindestens 81.500 Lichtjahren bzw. einen Durchmesser von 163.000 Lichtjahren besitzt.

(II)  Die Milchstraße als gefräßiges Monster?

Die Milchstraße ist zusammen mit der Andromedagalaxie [1] die größte Galaxie in der sog. Lokalen Galaxiengruppe [1]. Jede der beiden großen Spiralgalaxien sammelt einige kleinere Galaxien um sich. Darunter befinden sich einige nahe Zwerggalaxien, die aus der Frühzeit der Galaxienbildung stammen könnten, sowie einige irreguläre Zwerggalaxien, die nicht durch Gravitation an die Milchstraße gebunden sind.

Frühere Untersuchungen zeigen, dass entfernte Zwerggalaxien große Mengen Wasserstoffgas enthalten, aus dem in einer späteren Phase Sterne entstehen können.

Hochauflösende Beobachtungen des Green Bank Teleskops (GBT) [1] zeigen jedoch, dass der Milchstraße (direkt) benachbarte Zwerggalaxien kaum Wasserstoffgas enthalten [4].

Einige Wissenschaftler nehmen an, dass innerhalb einer bestimmten Entfernung der gravitative Einfluss der Milchstraße auf den Halo einer benachtbarten Zwerggalaxie so groß wird, dass die Zusammensetzung der Zwerggalaxie entscheidend gestört wird. Innerhalb dieser "Gefahrenzone" kann der gravitative Einfluß der Milchstraße sogar neutrales Wasserstoffgas aus der Zwerggalaxie herausziehen und sich einverleiben. Hierdurch kann die Milchstraße die Sternentstehung in der Zwerggalaxie zum Erliegen bringen.

Der Aquarius-Strom
Ein internationales Team von Astronomen habt in den letzten Jahren mithilfe der RAVE-Durchmusterung (RAdial Velocity Experiment) [1] des australischen  Siding Spring-Observatoriums [1] einen neuen Strom aus Sternen in der Scheibe der Milchstraße entdeckt [5], den sog. Aquarius-Strom (Sternbild Wassermann) [1] (Abb. 5).

milch

Abb. 5 Schematische Darstellung des Aquarius-Sternenstroms (rote Punkte).
Im Hintergrund sieht man die Scheibe der Milchstraße (blaugrün).  
© Arman Khalatyan, AIP

 

Der Sternenstrom stammt aus einer kleinen Galaxie der galaktischen Nachbarschaft; er wurde vor rund 700 Millionen Jahren durch die Anziehungskraft der Milchstraße aus der kleinen Galaxie "herausgesogen" und bewegt sich derzeit mit einer Geschwindigkeit von bis zu 15.000 Stundenkilometern durch die Galaxis hindurch.

Die beobachteten Sterne sind Teil eines größeren Sternenstroms, der aus einer kleinen Nachbargalaxie der Milchstraße stammt, die in die "gravitativen Fänge" unserer Galaxis geriet. Dabei wurde die Zwerggalaxie auseinandergerissen.

Der Triangulum-Strom
Die Milchstraße zerrt sozusagen ständig an den in ihrer Nachbarschaft befindlichen Zwerggalaxien, reißt die Objekte auseinander und verleibt sie sich ein. Die Wissenschaftler glauben, dass dies der primäre Prozess für das Wachsen bzw. die Massenzunahme der Milchstraße bzw. anderer großer Galaxien ist.

Neben dem Aquarius-Strom entdeckten die Forscher mithilfe der Sloan Digital Sky Survey III [1] einen weiteren langgestreckten schmalen Sternenstrom, der das Überbleibsel eines Sternhaufens zu sein scheint.

Dieser Strom gleicht aufgrund der geringen Masse des Objektes jedoch eher einem Imbiss statt einer Mahlzeit der Milchstraße. Der sog. Triangulum-Strom (Sternbild Dreieck) [1] befindet sich in Blickrichtung der Galaxie M33 [1] und stammt wahrscheinlich aus einem alten (12 Milliarden Jahre) metallarmen Kugelsternhaufen [1].

Die bisher beobachtete Winkelausdehnung des Sternenstroms am Himmel beträgt rund 0,2 Grad, das entspricht einem halben Vollmonddurchmesser (0,5 Grad); die Gesamtlänge des Stroms wird auf rund 12 Grad geschätzt.

Diese Sternströme spiegeln den Anziehungsbereich und damit die Masse der Milchstraße wider. Die neuen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, die Entstehung der Milchstraße besser zu verstehen. Die Wissenschaftler wollen klären, wie oft derartige Ereignisse in der Vergangenheit stattfanden und ob wir in der Zukunft Ähnliches zu befürchten haben.

Das nächste große Ereignis dieser Art steht uns jedoch erst in rund 4 Milliarden Jahren bevor: Simulationen gehen von einer Kollision mit unserer Nachbargalaxie, der Andromedagalaxie, aus, vorausgesetzt ihr kommt keine bisher unentdeckte Zwerggalaxie in unserer Nachbarschaft zuvor (Abb. 6).

milch

Abb. 6 Künstlerische Darstellung der Begegnung der Andromedagalaxie
mit der Milchstraße in rund 4 Milliarden Jahren.
© dailygalaxy.com

 

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information über Objekte des Sonnensystems und astronomische Begriffe
www.wikipedia.de

[2]  Xu, Y., Newberg, H. J., et al., ApJ 801 (2015)

[3] Mehr Information über das Rensselaer Polytechnische Institut (RPI)
http://news.rpi.edu

[4] Spekkens, K., et al., ApJ 795 (2014)

[5] Williams, M.E.K., Steinmetz, M., et al., ApJ 728 (2011)

 

* Annahme: Entfernung Sonne-galaktisches Zentrum rund 26.000 Lichtjahre

 

 

 

zurück