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Merkwürdiges Objekt auf dem Saturnmond Titan

Der Saturnmond Titan [1, 3] ist immer wieder für Überraschungen gut:
Die Raumsonde Cassini entdeckte bereits im Juli 2013 bei einem Vorbeiflug am Saturnmond ein merkwürdiges, zuvor unbekanntes Objekt in einem der größten Meere des Titan, dem Ligeia Mare [1].

Der nach einer griechischen Sagengestalt benannte Ligeia Mare ist ein hauptsächlich mit Methan und Beimischungen von Ethan 0*, Kohlenwasserstoff und flüssigem Stickstoff [1] gefülltes Meer im arktischen Teil der nördlichen Halbkugel des Mondes (78° N) [Abb. 1]. Sein Inhalt besitzt wahrscheinlich dielektrische Eigenschaften* [5]. Der Durchmesser von Ligeia Mare beträgt rund 500 Kilometer, seine Tiefe wahrscheinlich 150-200 Meter [1, 7]. Die Temperatur des Ligeia Mare beträgt rund 90 Kelvin (- 180° C) [7].

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Abb. 1 Mosaik-Aufnahmen von Radarmessungen (SAR**) des Ligeia Mare
vom Februar und April 2007 [9]. Die Farbdarstellung ist nicht real.

 

Die neu entdeckte Struktur besitzt eine Oberfläche von etwa 160 Quadratkilometern und damit so groß wie Liechtenstein. Aufgrund der dichten Atmosphäre des Titan, die keinen direkten Blick auf seine Oberfläche zulässt, gelang die Entdeckung mithilfe von Radarwellen.

Die Radarmessungen der Cassini-Sonde (SAR**) zeigen eine Veränderung des Objektes während der beiden letzten Vorbeiflüge:
Aufnahmen der Region aus den Jahren 2007-2009 zeigen keinerlei Besonderheiten (Abb. 2 links), während auf den letzten Aufnahmen aus den Jahren 2013 und 2014 eine deutliche Veränderung des Gebietes sichtbar ist (Abb. 2 Mitte und rechts).

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Abb. 2 Aufnahmen des neu entdeckten Objektes im Ligeia Mare
aus den Jahren 2007, 2013 und 2014.
© NASA/JPL-CalTech/ASI/Cornell

 

Die obige Abbildung zeigt drei unterschiedliche Aufnahmen eines Teils des Ligeia Mare. Die dunklen Regionen der Aufnahmen zeigen das Meer. Der Hauptteil der hellen Gebiete besteht aus einer Landfläche oberhalb oder in der Nähe der Wasserlinie. Das neu entdeckte Objekt taucht außerhalb der Küste auf.

Die in der Abbildung markierte Region zeigte im Radarbild Anfang Juli 2013 eine helle Struktur, die Ende Juli, im September und Oktober 2013 nicht mehr zu sehen war. Im August 2014 konnte die Struktur wiedergefunden werden, jedoch hatte sich ihr Aussehen innerhalb von 11 Monaten stark verändert. Die Oberfläche der Struktur hat sich von 75 Quadratkilometer (im Juli 2013) auf rund 160 Quadratkilometer (im August 2014) etwa verdoppelt.

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Abb. 3 Aufnahme des Objektes im Ligeia Mare vom August 2014.
© NASA/JPL-CalTech/ASI/Cornell

 

Nach einem Vergleich sämtlicher Aufnahmen des Gebietes sind sich die Forscher relativ sicher, dass es sich bei der Struktur nicht um einen Artefakt oder Datenfehler handelt. Wahrscheinlich handelt es sich auch nicht um Strukturen, die bei der Verdampfung des Meeres erscheinen. Die Küstenlinie des Ligeia Mare hat sich in diesem Zeitraum nicht merklich verändert.

Das Auftreten des neu entdeckten Objektes bzw. der Struktur kann bisher nicht eindeutig erklärt werden. Möglicherweise handelt es sich um Oberflächenwellen des Meeres oder aufsteigende Blasenstrukturen oder schwimmende Festkörper oder treibende Flüssigkeiten, aus dem See ragende Felsstrukturen oder etwas anderes Exotisches.

Allerdings schließen andere Beobachtungen [6] vom Mai 2013 die Existenz von Oberflächenwellen aus. Demnach besteht Ligeia Mare hauptsächlich aus Methan (> 80 %) [1] und Kohlenwasserstoff; der hohe Methangehalt von Ligeia Mare ähnelt dem der Baltischen See auf unserem Planeten [7]. Dabei kann der Methangehalt auf den frischen Sommer-Methanregen (rund 16 m/Jahr) in hohen Breiten zurückgeführt werden.

Aufgrund der gemessenen dielektrischen Eigenschaften kann die Existenz von großen Mengen Wassereises an der Meeresoberfläche nahezu ausgeschlossen werden.

Der Saturnmond Titan besitzt zahlreiche Ähnlichkeiten mit der Erde, beispielsweise einen aktiven globalen Methan-Zyklus, ähnlich dem Meereswasserzyklus unseres Planeten. Es besteht die Möglichkeit, dass das Erscheinen der neuen Struktur mit „Jahreszeiten“ 3* auf dem Titan verknüpft ist und sich bestimmte Strukturen dadurch erwärmen – ähnlich wie auf der Erde. Dieser Methan-Zyklus wird durch Veränderungen der Sonneneinstrahlung auf dem Titan gesteuert [8].

Aufgrund der großen Entfernung des Titan von der Sonne sollten die jahreszeitlichen Änderungen auf dem Saturnmond jedoch wesentlich geringer ausfallen als auf der Erde [5]. Titan erreicht das Solstitium [1] im Jahr 2017. Während des Titan-Sommers werden die Maximaltemperaturen wahrscheinlich nur um wenige Grad ansteigen. Bisher konnte Cassini dies noch nicht beobachten; bei der Ankunft der Saturnsonde im Jahr 2004 lag die Region um den Nordpol des Mondes noch im Dunkeln.

Möglicherweise existieren Wechselwirkungen des Liegeia Mare mit einem anderen großen Meer auf dem Titan, dem Kraken-Meer [1, 7]. Ligeia Mare scheint mit Kraken durch ein Labyrinth aus schmalen Kanälen verbunden zu sein (Abb. 4) und einen Teil seiner Meeresflüssigkeit nach Süden „abzuleiten“ [7].

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Abb. 4 Radarkarte der nördlichen Titan-Halbkugel.
Nahe dem Nordpol des Titan befinden sich Ligeia Mare und
das Kraken-System (dunkle Strukturen), die wahrscheinlich
durch ein Tunnelsystem miteinander verbunden sind. [7]
© NASA/JPL-CalTech/ASI/Cornell

 

Cassini soll während der nächsten drei Jahre mögliche jahreszeitliche Effekte auf dem Saturnmond genauer beobachten. Dazu gehören sicherlich auch die Wolkenphänomene, die erst im Sommer 2014 entdeckt wurden. Diese Wolken ähneln den auf der Erde vorkommenden sog. Cumulus-Wolken [1]. Beim Titan bestehen sie allerdings aus kondensiertem Methan. Möglicherweise zeigt Titan weitere Wolkenphänomene, wenn es auf den Titan-Sommer zugeht. Die Ursache für die Wolken könnte mit der Verdunstung der Meere zusammenhängen.

Klar ist jedenfalls, dass es sich bei dem Saturnmond Titan um keinen „ruhigen“ Trabanten des Planeten Saturn handelt. Das Cassini-Team plant die kontinuierliche Beobachtung des nordpolaren Gebietes am Liegeia Mare, um zu erforschen, was in diesem Meer vor sich geht. Sie hoffen, dass Cassini weitere interessante Phänomene entdecken wird, bevor die Sonde im Jahr 2017 kontrolliert zum Absturz gebracht werden soll.

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information über Objekte des Sonnensystems und astronomische Begriffe
www.wikipedia.de

[2] Mehr Information über Entdeckungen im Saturnsystem auf unserer Webseite
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles_saturnringe.html
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles_der_saturnring.html

[3] Information zur Cassini-Sonde
http://www.nasa.gov/mission_pages/cassini/main/

[4] Aufnahmen der neu entdeckten Struktur im Ligeia Mare
http://photojournal.jpl.nasa.gov/catalog/PIA18430
und eine Animation
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=4D_sgGQWKsM

[5] Hofgartner, J. D., et al., 45th Lunar and Planetary Science Conference (2014)
http://www.hou.usra.edu
Hofgartner, J. D., et al., Nature Geoscience 7, 493–496 (2014)

[6] Zebker, H., et al., Geophys. Res. Lett. 41, 308-313 (2014)

[7] Lorenz, R. D., Geophys. Res. Lett. 16, 5764-5770 (2014)

[8] Atreya, S. K., et al., Planet. Space Sci. 54, 1177–1187 (2006)
Lunine, J. I., et al., Nature Geoscience 1, 159–164 (2008)

[9] Aharonson, O., et al., Titan's Surface Geology in: Titan: Surface, Atmosphere and Magnetosphere, ed. I. Mueller-Wodarg et al., Cambridge Univ. Press, 43-75, 2014

 

0* entsteht durch die Photolyse [1] von Methan

* elektrisch schwach- oder nichtleitende, nichtmetallische Substanzen (Gase, Flüssigkeiten oder Feststoffe) [1]

** Cassini Synthetic Aperture Radar (SAR)

3* 1 Titanjahr = 29,5 Erdjahre

 

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