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Hutzi Spechtler  
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Noch mehr Gravitationswellen entdeckt?

Die Entdeckung von Gravitationswellen [1, 2] am 14. September 2015 zieht bereits Kreise: in den ersten Tagen nach der Bekanntgabe der Entdeckung von Gravitationswellen am 11. Februar überschlagen sich die Ereignisse:

Insgesamt soll das Gravitationswellen-Interferometer LIGO [1] bereits 4 Ereignisse gemessen haben. Und: das Gammastrahlenteleskop Fermi [1] hat wahrscheinlich das Ereignis vom 14. September letzten Jahres ebenfalls gemessen.

 

I   Bereits 4 Ereignisse gemessen?
Auf dem AAAS-Meeting [1] im Herbst letzten Jahres ließ die Leiterin der LIGO-Pressekonferenz vom 12. Februar, France González [NFC, 1, 2], verlauten: sobald LIGO 4 Ereignisse gemessen habe, würde man zukünftig neue Gravitationswellenereignisse (in Realzeit) schnellstmöglich öffentlich machen.

Der LIGO-Mitbegründer Rainer Weiss [MIT, 1, 2] hat kurz danach in einem Zeitungsinterview [4] mitgeteilt, dass es am LIGO bis Ende Januar - dem Ende des 1. Runs [1] - bereits 4 Ereignisse gebe [3]. Man habe bereits kurz nach dem September-Ereignis am LIGO ein schwächeres Signal gemessen, das wahrscheinlich ebenfalls von zwei Schwarzen Löchern stamme.

Bisher existieren wahrscheinlich diese 4 Gravitationswellenereignisse:

  • 14. September 2015
  • 12. Oktober 2015 (008:21-11:46 UT [1])
  • 26. Dezember 2015 (01:29-04:55 UT) und
  • ein Ereignis im Januar,

 

zumindest, wenn man sich die Datenbank des LIGO anschaut (Abb. 1), die
bis zum 13. Februar insgesamt 3 Gravitationswellen-Ereignisse enthielt.

Allerdings war dort ein potentielles 4. Ereignis vom Januar (noch) nicht aufgeführt:

Abb. 1 Ausschnitt der Datenbank des LIGO.
Der Ausschnitt der beim LIGO vorhandenen Datensätze deutet an, dass es neben
dem Ereignis vom 14. September 2015 (GW150914) zwei weitere Ereignisse gibt:
ein 2. Ereignis am 12. Oktober 2015 und ein weiteres am 26. Dezember 2015. Ein potentielles 4. Ereignis war bis zum 13.02.2016 noch nicht aufgeführt.
© LIGO/yahw

 

Merkwürdigerweise sind die beiden Datensets einige Tage später aus dieser Liste verschwunden ...

Bezeichnungen
LIGO bezeichnet reale Gravitationswellenereignisse mit den beiden Buchstaben "GW" (gravitational wave [1]) und einem anschliessenden
US-amerikanischen Datenformat (JJMMDD [1]).
Ereignisse, die als Kandidaten gelten, werden mit den Buchstaben "LVT" (LIGO-Virgo Trigger [1]) bezeichnet; daran schliesst sich ebenfalls das US-amerikanische Datenformat an.

LVT151012
Das vermeintliche 2. Ereignis am LIGO (GW151012) besitzt nun (wieder) die Bezeichnung LVT151012 [1] (statt wie zuvor GW151012). Das Signal vom 12. Oktober 2015 sei viel schwächer als das vom 14. September, so die Forscher (Abb. 2). Das Ereignis fand am 12. Oktober 2015 um 09:54:43 UT [1] statt.

Abb. 2 Das LIGO-Ereignis LVT15012.
Das Signal vom 12. Oktober 2015 in den LIGO-Detektoren Hanford (links)
und Livingston (rechts). Da Signal ist weniger deutlich das das vom 14.09.2015.
Die gelben Bereiche markieren das im LIGO ankommende Signal.
Die beiden Achsen gegen die zeitliche Frequenzänderung des Signals wieder.
© LIGO/yahw

 

Das Signal vom 12. Oktober 2015 ist nicht so stark ausgeprägt wie das vom 14. September [2]. Zum Zeitpunkt des Signals war das Rauschniveau [1] höher als im September, möglicherweise verursacht durch eine stärkere Erdbebenaktivität (auf der Erde). Jedoch existiere bisher kein Hinweis, dass das Signal durch einen Artefakt verursacht wurde, so die Verantwortlichen.

Wahrscheinlich stamme LVT151012 ebenfalls von einer astrophysikalischen Quelle, so die LIGO-Forscher. Dabei handelt es sich wahrscheinlich wiederum um zwei miteinander verschmelzende Schwarzen Löcher mit Massen von
23 (+18/-5) bzw. 13 (+4/-5) Sonnenmassen [1]. [3]

Das Duo sei weniger schwer als im Falls des September-Ereignisses und weiter entfernt als GW150914: LVT151012 befindet sich wahrscheinlich in einer Entfernung von rund 3,6 Milliarden Lichtjahren [1].

LVT151012 sei das vielversprechendste Signal neben GW150914; jedoch sei das Signal - nach Meinung einiger Beteiligter - nicht signifikant genug (2,33 σ), um es bereits jetzt als Entdeckung zu bezeichnen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 2 Prozent könnte es sich bei LVT151012 noch um einen "falschen Alarm" handeln, d.h. mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 Prozent um eine reale Messung.

Man prüfe derzeit, ob es sich um ein reales Ereignis oder Rauschen handele. Dagegen hat ein LIGO-Wissenschaftler gegenüber physicsworld.com [1] mitgeteilt, das Ereignis vom Oktober sei ähnlich dem vom 14. September
"klar und deutlich" erkennbar.

Es gebe ausserdem andere (weniger signifikante) Ereignisse in den LIGO-Daten; die meisten dieser Ereignisse seien jedoch auf Störungen im Detektor zurückzuführen, so die Verantwortlichen. Nun werde geprüft, ob es sich ebenfalls um Signale von Gravitationswellen handele. [Anm.: Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die Ereignisse vom Dezember und Januar.]

Bereits jetzt deutet sich an, dass die Rate von miteinander verschmelzenden Schwarzen Löchern im Universum wesentlich höher sein könnte als angenommen: zwischen 6-400 Ereignisse pro Kubikparsec [1] pro Jahr.

Abschätzungen zufolge entspreche diese jährliche Anzahl der Ereignisse* einer potentiellen Messung (von dabei ausgesandten Gravitationswellen) auf der Erde von einem Ereignis alle 15 Minuten!!! [* für Paare massereicher stellarer Schwarze Löcher]

II   Fermi hat es auch gesehen?
Vor wenigen Tagen berichteteten andere Quellen, dass das sich im Weltraum befindliche Gammastrahlen-Teleskop Fermi (FGST) [1] (Abb. 3) ebenfalls ein Ereignis am 14. September 2015 gesehen habe, einen sog.

Gammastrahlenburst  (GRB) [1].

Fermi ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA [1] und anderen, meist europäischen Ländern. Inzwischen ist der Fachartikel zumindest als Vorabdruck im Internet eingestellt [3].

Abb. 3 Das Gammastrahlen-Teleskop Fermi.
Mithilfe des Gammastrahlen-Teleskops Fermi sollen hochenergetische Prozesse
des Universums beobachtet bzw. gemessen werden.
© NASA

 

Etwa 0,4 Sekunden nachdem LIGO das Gravitationswellenereignis der verschmelzenden Schwarzen Löcher vom 14. September gemessen hat, detektierte Fermi ein Gammastrahlensignal oberhalb einer Energie von
50 Kiloelektronenvolt (keV) [1]. Das Signal dauerte etwa eine Sekunde.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei dem Signal um ein "falsches Signal" handelt, liegt im Bereich von 0,0022 Prozent. Das bedeutet, die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei den beiden Signalen um die gleiche Quelle handelt, ist relativ hoch.

Was ist ein Gammastrahlenburst?
Bei einem Gammastrahlenburst handelt es sich um eine vorübergehende Abstrahlung von Gammastrahlen eines astronomischen Objektes. Typischerweise dauert ein GRB nicht mehr als 2 Sekunden. Im Mittel beobachten die Astronomen etwa einen GRB pro Tag.

Normalerweise scheinen die GRBs zufällig aus allen Himmelsrichtungen zu kommen. Das bedeutet: die Ereignisse stammen nicht aus unserer Milchstrasse [1].

Falls die bisher beobachteten GRBs galaktischen Ursprungs wären, würden die meisten Ereignisse entlang der Ebene der Milchstrasse [1] erscheinen; dort befindet sich der Grossteil der Materie unserer Galaxis [1]. Diese GRBs stammen wahrscheinlich von kollidierenden Neutronensternen [1] oder dem Einfang eines Neutronensterns durch ein Schwarzes Loch.

Das Fermi-Signal vom 15. Oktober 2015 stammt höchstwahrscheinlich von einer extraterrestrischen Quelle: ein Ursprung des Signals in der Milchstrasse oder der Erde kann aufgrund des beobachteten harten Energiespektrums [1] des Ereignisses ausgeschlossen werden.

Die Zeitdifferenz von 0,4 Sekunden
Der GRB mit der Bezeichnung GW150914-GBM wurde von dem sog. Fermi Gamma-ray Burst Monitor (GBM) [1] beobachtet. Mit diesem Detektor kann man 70 Prozent des gesamten Himmels auf einmal beobachten, d.h. man erwischt viele kurzlebige Ereignisse mit einer einzigen Aufnahme. Für die Richtungsbestimmung eines bestimmten Ereignisses am Himmel ist der Detektor jedoch nicht ausgelegt, dazu ist die Messung nicht genau genug.

Das besagte Gammastrahlenereignis fand am 14. September 2015 um 09:50:45,8 UT [1] statt, nur 0,4 Sekunden nach dem LIGO-Ereignis um 09:50:45,39, und dauerte rund eine Sekunde [3].

Unglücklicherweise blickte Fermi zur Zeit des beim LIGO am
14. September 2015 eintreffenden Signals nicht genau in die Richtung der beiden Schwarzen Löcher. Daher kann man bisher lediglich sagen, dass beide Messungen konsistent zu sein scheinen [3]:

"Die wahrscheinlichte Position bzw. Richtung des Gammastrahlensignals GW150914-GBM (vom 14. September 2015) fällt mit der wahrscheinlichen Position bzw. Richtung der Gravitationswellenquelle GW150914 zusammen."

Der GRB vom 14. September 2015 besitzt einige Eigenschaften, die darauf schliessen lassen, dass es sich bei dem LIGO- und dem Fermi-Signal um das gleiche Ereignis handelt:

(1) Der GRB war relativ schwach, besitzt jedoch ein hartes Röntgenspektrum [1]; dies schliesst (wahrscheinlich) aus, dass es sich um eine bekannte Quelle innerhalb der Milchstrasse handelt.

(2) Die Zeitdifferenz von 0,4 Sekunden entspricht einem 10-17-tel der Entfernung der beiden Schwarzen Löcher von der Erde [1,3 Milliarden Lj]. Natürlich könnte es sich bei dem GRB um ein extragalaktisches Ereignis [1] - wie beispielsweise die Kollision zweier Neutronensterne - handeln, die zufällig in etwa der gleichen Richtung wie das LIGO-Signal und lediglich 0,4 Sekunden nach der Gravitationsstrahlung auftrat. Jedoch ist das nicht sehr wahrscheinlich. Da der GRB relativ schwach war, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen "falschen Alarm" handelt, ebenfalls sehr gering.

Die Verantwortlichen schliessen einen Zusammenhang des Fermi-Signals mit einer bekannten astrophysikalischen, solaren, terrestrischen oder magneto-
sphärischen Aktivität bzw. Quelle aus.

Wenn man annimmt, dass beide Ereignisse den gleichen Ursprung besitzen, bedeutet das, dass der GRB ebenfalls in einer Entfernung von rund
1,3 Milliarden Lichtjahren stattgefunden hat.

Aus dem Maximum des GRB (scheinbare Helligkeit [1] des Peaks) kann man die entsprechende Leuchtkraft [1] der Quelle ableiten:
die maximale Leuchtkraft des GRB war etwa eine Grössenordnung geringer als die jedes bis zu diesem Zeitpunkt gemessenen kurzlebigen Gammastrahlen-Ereignisses. Das deutet darauf hin, dass es sich nicht um eine Kollision zweier Neutronensterne handelt. In diesem Fall sollte das Signal schwächer gewesen sein.

Falls dieser GRB von zwei miteinander verschmelzenden Schwarzen Löchern stammt, wäre das überraschend: bisher nahm man stets an, dass im Falle der Verschmelzung zweier stellarer Schwarzer Löcher keine Akkretionsscheibe [1] existiert, die Gammastrahlen aussenden könnte. Jedoch weiß das niemand mit Sicherheit.

Wenn man glaubt, dass das Gammastrahlen- und das Gravitationswellen-Signal von dem gleichen Ereignis stammt, entspricht das einem Test, bei dem man misst, ob die Lichtgeschwindigkeit [1] mit der Geschwindigkeit der Gravitationswellen übereinstimmt. In diesem Fall lautete das Ergebnis: die Geschwindigkeit der Gravitationswellen und der Wert der Lichtgeschwindigkeit stimmen bis auf 10-17 (0,00000000000000001) überein.

Abb. 4 Vergleich der Richtung des Ereignisses GW150914 von LIGO und Fermi.
Dargestellt ist der gesamte Himmelsanblick in galaktischen Koordinaten, eingeteilt in Längen- und Breitengrade. Das Band der Milchstrasse befindet sich am Äquator.
Rechts: Richtung des Gammastrahlenereignisses vom 14. September 2015.
Links: Richtung des Gravitationswellenereignisses vom 14. September 2015.
Die Wahrscheinlichkeit der Richtung des Ereignisses ist rot eingefärbt; je dunkelroter die Färbung, desto wahrscheinlicher stellt die Färbung die Richtung des Ereignisses
dar. Die Übereinstimmung der Richtungen des Ereignisses vom 14. September
scheint relativ hoch zu sein. © [3]/yahw

 

Der Richtungsabgleich
Der Vergleich des Timings (gemessene Zeiten) und der Himmelsrichtung der Ereignisse am LIGO und von Fermi lässt den Schluss zu, dass es sich sehr wahrscheinlich um das gleiche Ereignis handelt (Abb. 4, 5):

die Gammastrahlen, die Fermi beobachtete, scheinen aus der Richtung der beiden verschmelzenden Schwarzen Löcher zu kommen, die am LIGO beobachtet wurden.

Abb. 5 Direkter Vergleich der Ereignisse vom 14. September 2015.
Position des Ereignisses GW150914 im Vergleich zum Ereignis GW150914-GBM.
Der graue (äussere) Bereich entspricht dem Himmelsbereich, den Fermi am
14. September 2015 während des Gravitationswellenereignisses nicht sehen konnte. Die für Fermi sichtbare Himmelsregion enthält 75 Prozent der Region, in der man die Position von GW150914 vermutet. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich beide Ereignisse im unteren (südlichen) Bereich der rosafarbenen Region befinden, beträgt 69 Prozent (von 75%). Der gesamte Himmelsbereich war für Fermi erst 25 Minuten nach dem Gravitationswellensignal von LIGO sichtbar.
© [3]/yahw

 

Am 14. September 2015 wurde zum betreffenden Zeitpunkt nur ein Gammastrahlenereignis gemessen.

Glauben Sie, das Gammastrahlenereignis, das Fermi an diesem Tag gemessen hat, hat nichts mit dem LIGO-Signal zu tun, obwohl es nur 0,4 Sekunden nach der Gravitationstrahlung (in etwa der gleichen Richtung) gemessen wurde?
Ich glaube das nicht und einige andere Forscher auch nicht.

Das einzige andere Ereignis, das Fermi am 14. September gemessen hat, fand erst 11 Sekunden später als die Messung der Gravitationswellen statt [3].
Dabei sind 11 Sekunden astrophysikalisch gesehen "meilenweit" von dem LIGO-Ereignis entfernt. Bei dem späteren Signal handelt es sich sehr wahrscheinlich um Gammastrahlung eines Objektes in der Milchstrasse, das sich in der Nähe des Galaktischen Zentrums [1] und am Himmel weit entfernt von dem LIGO-Ereignis befindet [3].

Wie wurde diese Gammastrahlung erzeugt und wie viel davon?
Nehmen wir an, beide Ereignisse vom 14. September 2015 beziehen sich auf das gleiche Himmelsereignis, die verschmelzenden Schwarzen Löcher:
Liegt die beobachtete Gammastrahlung im Energiebereich 1 keV und 10 MeV (Megaelektronenvolt [1]) pro Photon [1], kann man bei dem Fermi-Signal annehmen, dass die dazugehörige Leistung [1] bei 2 1042 Watt [1] liegt
(plus-minus einem Faktor 2).

Am Maximum der Gravitationswellenstrahlung (Peak [1, 2]) betrug die abgestrahlte Leistung der Gravitationswellen einige 1042 Watt [2] (plus-minus eine Grössenklasse). In diesem Fall könnte ein Millionstel der Energie, die in den Gravitationswellen steckte, in Gammastrahlung ungewandelt worden sein. Diese Abschätzung klingt plausibel.

Der Raum um das finale Schwarze Loch war wahrscheinlich relativ leer. Woher soll in diesem Fall die Gammastrahlung stammen? Eine mögliche Erklärung: Im Raumbereich um die Schwarzen Löcher könnte sich sehr wohl Materie aufgehalten haben, beispielsweise Gas und Staub als Überrest der (ehemaligen) Akkretionsscheiben um die Sternmonster - vor der Verschmelzung der beiden Objekte.

Die Restmaterie der verbleibenden Akktionsscheiben könnte durch die verschmelzenden Schwarzen Löcher stark beschleunigt worden sein: dabei entstand möglicherweise die gemessene Gammastrahlung. Jedoch sind einige Wissenschaftler der Auffassung, dass sich um die verschmelzenden Schwarzen Löcher KEINE Materie aufgehalten haben kann - aus welchem Grund auch immer.

Allerdings hat bisher niemand die Umgebung zweier sich umkreisender schwerer stellarer Schwarzen Löcher beobachtet.

Alternative Erklärungsversuche
(1) GRB nach der Verschmelzung
Alternativ könnte die von Fermi gemessene Gammastrahlung erst entstanden sein, als die beiden Schwarzen Löcher bereits verschmolzen waren: das neue Schwarze Loch könnte nach seiner Entstehung die in seiner Umgebung befindliche Materie an sich gezogen und in eine Umlaufbahn um den grösser gewordenen Ereignishorizont [1] gezwungen haben.

(2) Ein Riesenstern zerbröselt
Als weitere Möglichkeit schlägt ein Wissenschaftler vor [6], dass es sich nicht um die Verschmelzung zweier Schwarzen Löcher handele. Vielmehr entspreche die Beobachtung einem massereichen Stern, der zuvor aus einem Doppelsternsystem [1] bestand, bei dem die beiden grossen Sternpartner verschmolzen. Der Stern müsse einige Hundert Mal grösser gewesen sein als die Sonne. Als bei dem riesigen Stern "der Ofen" mangels Brennstoffs in seinem Inneren "ausgegangen" sei, kollabierte er und wurde er zu einem Schwarzen Loch. [6]

Woher stammen dann die beiden Schwarzen Löcher?
Falls der Riesenstern sehr schnell rotierte - nahe der Rotationsfrequenz, bei dem er auseinanderbrechen würde - könnten sich in seinem Innern zwei kollabierende "Kerne" in einer Art Hantelform gebildet haben; dies entspreche der Konfiguration der beiden vermeintlichen Schwarzen Löcher, so der Wissenschaftler.

In diesem Fall befänden die beiden Schwarzen Löcher nicht isoliert im Raum, sondern sich im Inneren eines massereichen Sterns oder dessen Rest. Die übriggebliebene Materie - der Ursprung des GRB - bestünde aus dem Rest des massereichen Sterns [6].

Bei der Verschmelzung der beiden Schwarzen Löcher in der restlichen Sternhülle entstand daher ein Ausfluß von Materie, der Ursache des GRB. Alternativ könne der GRB von einem Jet [1] stammen, der seine Ursache in der Akkretionsscheibe des Sternrestes um das (neue) Schwarze Loch habe, so der Forscher.

Und woher stammt die Zeitverzögerung von 0,4 Sekunden?
Das sei die Zeit, die der GRB benötigte, um den Riesenstern zu durchqueren (relativ zu den Gravitationswellen, die die Materie ungehindert passieren).

Das klingt nach einem "netten" Erklärungsversuch. Allerdings sei diese Alternative nicht "fehlerfrei", das räumt der Forscher selbst ein. Die Frage laute, weshalb das GRB-Signal so schwach gewesen sei. Das erklärt die Alternative damit, dass der beobachtete GRB lediglich ein Teil eines längeren und schwächeren Signals gewesen sei; der beobachtete GRB stelle sozusagen nur die "Spitze des Eisbergs" dar.

(3) Alles war ganz anders
War der GRB tatsächlich so schwach? War er real?
Die europäische Raumfahrtorganisation ESA [1] hat ihre eigene Antwort auf diese Fragen; sie basiert darauf, dass der europäische Gammastrahlen-Sattelit, INTEGRAL [1], den GRB gar nicht gemessen habe. Das Signal, das Fermi gemessen habe, sei wahrscheinlich kein reales Signal [7].

Zudem sei habe man einen Grenzwert für die mit dem Ereignis vom
14. September assoziierte Gammastrahlung berechnet, der sich von dem des LIGO-Teams unterscheide: demzufolge könne das Gravitationswellenereignis mit keinem wesentlichen Gammaereignis in Verbindung gebracht werden.

Die Rekonstruktion des LIGO-Ereignisses favorisiere ein Ereignis unter Beteiligung zweier Schwarzer Löcher. In diesem Fall sei keinerlei - am Ort der Erde beobachtbare - Gammastrahlung zu erwarten, falls das Duo nicht von einer sehr dichten Gaswolke umgeben sei. (Aber das sei unwahrscheinlich.)

Falls es sich jedoch bei einem der beiden Objekte um einen exotischen Stern [1] handele - beispielsweise einen Quark-Stern [1] oder einen Bosonen-Stern [1], etc. -, könne die Emission von elektromagnetischer Strahlung nicht ausgeschlossen werden. Bisher gäbe es jedoch für diese exotische Lösung keinerlei zuverlässige Vorhersage.

Woher am Himmel kam die Gammastrahlung?
Die Richtung, in der das Signal GW150914-GBM gemessen wurde, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit bei den Koordinaten α= 57° (Rektaszension [1]) und
δ=-22° (Deklination [1]) (1σ=68%) [3]. Diese Position unterscheidet sich von der des LIGO-Ereignisses um rund 5 Grad (entspricht rund 10 Vollmond-
durchmessern). (Abb. 6)

Abb. 6 Positionierung des Grammastrahlensignals vom 14. September 2015.
Die wahrscheinlichste Richtung des Gammastrahlensignals vom 14. September befindet sich an der weißen Markierung (Stern). Das Ereignis erfolgte mit einer Wahrscheinlichkeit von 68 Prozent aus dieser Richtung. Das LIGO-Ereignis fand sehr wahrscheinlich im Bereich der 11 kleinen grauen Kreise in der Nähe statt.
Die braunen Bereiche markieren die Position der Erde, die einen Teil des Himmels verdeckt. (Energiebereich 100-1.000 keV)
 © [3]/yahw

 

Fazit
Die Auswertung der Fermi-Daten ergibt laut deren beteiligten Forschern eine generelle Übereinstimmung der Richtung beider Ereignisse. Einige andere Wissenschaftler bestreiten diese Aussage sowie den gemeinsamen Ursprung der Signale von LIGO und Fermi.

Befindet sich das Fermi-Ereignis - wie das LIGO-Signal - ebenfalls in einer Entfernung von etwa 1,3 Milliarden Lichtjahren, entspricht die Messung im Energiebereich von 1 keV bis 10 MeV einem Energieausstoß des Ereignisses von 1,8 1049 erg pro Sekunde [1, 3]. Das ist unglaublich hoher Wert und spricht für die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher.

Auf die weitere Auswertung sind wir gespannt. Fest steht jedoch:

LIGO hat uns dazu verholfen das Universum zu "hören".

Die nun notwendige Kombination des Sehens (im Gammastrahlenbereich) und des Hörens (Gravitationswellen) scheint die Sicht auf unser Universum noch spannender werden zu lassen.
­­­­­­­­­­­­­­­­­­­_______________________________

Für alle Chary-Brown-Fans [1] existiert übrigens ein nettes Video [8], das das LIGO-Ereignis vom 14.09.2015 beschreibt. Die Protagonisten sind Charly Brown und - natürlich - Woodstock [1].

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information über astronomische Begriffe
www.wikipedia.de

[2] http://ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles__gravitationswellen__hauptseite.html

[3] Connaughton, V., et al., LIGO preprint (2016)

[4] The New York Times, nyt.com

[5] www.forbes.com

[6] Loeb, A., New Scientist (16 Feb 2016)

[7] Savchenko, V., et al., INTEGRAL Scientific Preprint (12 Feb 2016)

[8] Witziges Charly-Brown-Video zum Ablauf des LIGO-Ereignisses vom 14.09.2016
https://pbs.twimg.com/tweet_video/CbccbF-UEAEJiKT.mp4

 

 

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