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Gravitationswellen entdeckt? - Die Zweite

Die Entdeckung von Gravitationswellen [1], der Verbiegung der Raumzeit [1], gilt als Kandidat für den nächsten Nobelpreis für Physik [1]. Der deutsche Physiker Albert Einstein [1], dessen Allgemeine Relativitätstheorie [1] im letzten Jahr ihre 100-jährige Veröffentlichung feierte, sagt die Existenz von Gravitationswellen voraus.

Was sind Gravitationswellen?
Stellen Sie sich vor, das Universum ist eine Art Gummimatte. Legt man ein schweres Objekt - wie eine Bowlingkugel - auf die Gummimatte, sinkt sie in die Gummimatte ein und dehnt bzw. krümmt sie.
Wirft man eine Murmel in die Nähe der Bowlingkugel, folgt diese dem gedehnten Raum um die Bowlingkugel auf einer geraden Bahn in einer gekrümmten Raumzeit.

Es scheint als beeinflusse die Bowlingkugel die Bahn der Murmel; in Wahrheit bestimmt die gekrümmte Raumzeit um die Kugel wie sich die Murmel bewegen muss. Die Krümmung der Raumzeit entsteht auf ähnliche Art und Weise.

Einstein sagte dazu, dass die Materie der Raumzeit sagt wie sie sich krümmen und die gekrümmte Raumzeit der Materie wie diese sich in ihr bewegen muss.

Bewegen sich zwei schwere Massen in einer gekrümmten Raumzeit schnell umeinander, entsteht durch diese Bewegung eine Kräuselung der Raumzeit, die Gravitationswellen (Abb. 1).

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Abb. 1 Künstlerische Darstellung von Gravitationswellen, die bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne entstehen. Durch die Beteiligung der enorm dichten Massen beider Sternreste wird die Raumzeit gekräuselt.
© MPI


Durch die Bewegung (Beschleunigung) der massereichen Objekte zueinander sind auch die Gravitationswellen dynamisch, sie breiten sich wie Wellen aus (Abb. 2). Jedoch sind enorm dichte Massen, die sich relativ zueinander extrem schnell bewegen, notwendig, um ausreichend viele Gravitationswellen auszusenden.

Nur: unsere Augen sind gegenüber Gravitationswellen unempfindlich, wir können sie nicht wahrnehmen und benötigen für ihre Messung besondere Detektoren.

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Abb. 2 Schematische Darstellung der wellenartigen Ausbreitung
von Gravitationswellen um schwere Massen. [4]
© NASA

(EXKURS: Wie mißt man Gravitationswellen am LIGO?) *

Wie entstehen Gravitationswellen?
Gravitationswellen entstehen, wenn grosse Masse sehr schnell bewegt werden, zwei massereiche Objekte miteinander kollidieren oder eine Supernova [1] auftritt, bei der ein Stern auseinandergerissen wird. Man kann das Auftreten von Gravitationswellen mit dem Wurf eines Steines in einen Teich vergleichen. Die dabei auftretenden Wellen ähneln der Raumzeitkräuselung, nur sind sie winzig.

Da die Erde weit entfernt von exotischen Objekten wie Neutronensternen, Schwarzen Löchern oder Supernovae ist, sind die ankommenden Gravitationswellen aus dem Weltraum schwach, ihre Ausschläge im Detektor wie erwähnt winzig. Diese Winzigkeiten zu messen ist schwierig.

Insbesondere in den letzten Jahren haben Wissenschaftler immer wieder versucht diese Raumzeitstörungen zu entdecken.

 

Krauss kommentiert

Nun hat einer der bekanntesten Kosmologen [1] und theoretischen Physiker, Laurence Krauss [1], Kommentare auf Twitter [1] veröffentlicht, die auf die Entdeckung von Gravitationswellen am 500 Millionen US-Dollar teuren LIGO (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory) [1] hinweisen könnten (Abb. 3).

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Abb. 3 Twitter-Nachricht von Lawrence Krauss über die mögliche Entdeckung
von Gravitationswellen am LIGO vom 11. Januar.
© https://twitter.com/LKrauss1/status/686574829542092800?ref_src=twsrc^tfw
 

LIGO ist eine Kollaboration von Physikern der Institute MIT [1] und CalTech [1] in den Vereinigten Staaten (Abb. 2); sie nutzt gigantische Detektoren, um nach kleinsten Störungen der Raumzeit zu suchen, beispielsweise als Folge der Verschmelzung zweier Neutronensterne [1] (Abb. 3).

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Abb. 3 Das LIGO-Observatorium in Louisiana (U.S.A.) inmitten eines Waldgebietes.
© LIGO

 

Krauss ist eine sehr glaubwürdige Quelle; er hat zahlreiche Preise gewonnen, Auszeichnungen erhalten und wissenschaftliche Bücher geschrieben.
Allerdings ist Krauss kein Mitarbeiter von LIGO und nicht direkt an den Experimenten beteiligt.

 

LIGOs Suche
LIGO sucht seit dem Jahr 2002 nach Gravitationswellen. Dazu nutzt LIGO den Vergleich von Längen mithilfe eines Interferometers [1], das mit einer Genauigkeit eines Milliardstel Atomdurchmessers [1] arbeitet. Seit dem Jahr 2010 wurde die gesamte Anlage verbessert und ist nun etwa 10 Mal empfindlicher als zuvor. LIGO heisst nun aLIGO (Advanced LIGO) [1].

Die neue Messphase am LIGO startete am 18. September 2015, vor rund 4 Monaten. Bereits eine Woche danach twitterte Krauss über eine mögliche Entdeckung von Gravitationswellen.

 

Gerüchte aus einer glaubwürdigen Quelle - wahr oder falsch?
Im Januar führte Krauss das Thema per Twitter weiter: seine [...] früheren Kommentare zu Gerüchten [seien] von unabhängigen Quellen bestätigt worden [...]. Gravitationswellen könnten entdeckt sein!! [...]

Die Gerüchteküche kocht ... es könnte etwas dran sein an den Gerüchten - wie das meistens so ist. Allerdings ist unklar, ob Krauss tatsächlich mit einem der 900 Mitarbeiter von LIGO gesprochen hat oder woher er seine Information bezieht.

Nach eigenen Angaben hat Krauss mit keinem der Mitarbeiter gesprochen. Daher benutzte er den Begriff "Gerücht" und äussert Vermutungen.
Und: manchmal werden Gerüchte bestätigt, wie im Fall der chinesischen Entdeckung der Gensequenz menschlicher Embryos [1], der wochenlang Vermutungen im Internet vorausgingen.

Um die Gerüchteküche beurteilen zu können, muss man wissen, dass drei Mitarbeiter des LIGO von Zeit zu Zeit bewusst "künstliche Signale" in die Daten einbauen, um die Empfindlichkeit von LIGOs Analysetechnik (und die Ehrlichkeit der Auswerter der Daten) zu testen.

Der Grund: die erhofften Gravitationswellen sind so winzig, dass man leicht falsche Signale erhält. Lediglich eine Handvoll Mitarbeiter weiss, wann die falschen Signale eingeschleust wurden. Erst nach der Auswertung der Daten geben diese den Auswertern die entsprechende Information preis.

 

Erste Meldungen im Jahr 2010
Bereits am 16. September 2010 - vor fast 6 Jahren - glaubten die Wissenschafter am LIGO, sie hätten Gravitationswellen entdeckt, kurz vor dem Shutdown [1] der Anlage. Doch die vermeintliche Entdeckung erwies sich als Falschmeldung; auch damals wurden künstliche Signale eingeschleust. Erst drei Monate nach der Messung wurde alles aufgedeckt.

Krauss ist dieser Umstand bewusst. Jedoch berichtete er, dass ihm im September 2015 ein bekannter Physiker gesagt habe, das LIGO-Team habe ein Signal entdeckt; künstlichen Signale hätten nicht vorgelegen. Jedoch sei dieser Physiker kein Mitglied des LIGO-Teams (und damit die Information scheinbar nicht aus erster Hand).

Gegenüber der Zeitung The Guardian [1] sagte Krauss angeblich, er sei nur zu 60 Prozent überzeugt, dass es sich tatsächlich um eine Entdeckung handele, habe jedoch die Daten nicht selbst gesehen.

Nun, im Januar, betont Krauss, sein Wissen stamme aus anderen Quellen
(als LIGO?); zudem sei das LIGO-Team dabei eine wissenschaftliche Veröffentlichung vorzubereiten. Der Inhalt beziehe sich auf ein potentielles Signal, das man mit dem von einem aufeinander spiralenden Paar Neutronensterne bzw. Schwarzer Löcher [1] zu erwartendem Signal vergleiche. Krauss betont nochmals, die Information stamme aus dem Umfeld der LIGO-Kooperation, nicht von LIGO selbst.

Krauss Kommentare im Internet sind umstritten, einige LIGO-Mitarbeiter verärgert: Er wolle die Öffentlichkeit über die Diskussionen der Physiker zu diesem Thema informieren und auf eine mögliche Entdeckung vorbereiten - zumal bereits Gerüchte in anderen Medien im Umlauf seien. Er sei jedoch niemand, der den Beteiligten den Erfolg oder die Show stehlen wolle, so der Wissenschaftler. Allerdings verfüge er tatsächlich über vertrauliche Information von LIGO-Forschern, die er jedoch für sich behalten wolle.

Am 11. Januar tauchten auf einer anderen Webseite ebenfalls Gerüchte auf [5]: Ein unbekannter Kommentator der Webseite habe mitgeteilt, LIGO habe zwei Ereignisse (kurzperiodische Gravitationswellen) entdeckt. Bereits einen tag zuvor habe der Besitzer der Webseite gehört, LIGO habe das Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher "gehört". Ob sich beide Meldungen auf das gleiche Ereignis beziehen, ist nicht bekannt.

 

Vorhersage und Wahrheit
Ausserdem muss man wissen, dass im letzten Jahr einige renommierte Physiker vorausgesagt haben, dass man im Jahr 2016 die Existenz von Gravitationswellen endlich beweisen werden könne. Dass ein Gerücht bereits zu Beginn dieses Jahres auftritt, damit hat sicherlich niemand gerechnet.

Die LIGO-Wissenschaftler kommentieren die Entdeckung eines vermeintlichen Signals derzeit nicht. Die erste Messphase ende am 12. Januar, so einer der Mitarbeiter. [Danach erfolgt ein 9-Monate andauerndes Upgrade, um die Empfindlichkeit weiter zu steigern.] Man wolle zuerst sämtliche Daten sichten und analysieren; das dauere wahrscheinlich bis Anfang Februar. Falls man eine Entdeckung vermelden könne, werde man selbstverständlich darüber informieren.

Üblicherweise warten Wissenschaftler mit der Verkündung ihrer Entdeckung bis die Ergebnisse von aussenstehenden Forschern gegengecheckt wurden. Danach wird die Entdeckung meist in den Fachblättern Nature [1] oder Science [1] veröffentlicht. Bis dahin herrscht absolutes Schweigen: kein Interview, keine Zeitungsmeldung, keine Veröffentlichung in anderen Fachzeitschriften.

Bisher hat niemand eine vermeintliche Entdeckung bestätigt; Anfragen renommierter internationaler Tageszeitungen und Medien blieben seitens LIGO bisher unbeantwortet. Das ist sehr merkwürdig. Man wolle den Tweed von Laurence Krauss weder bestätigen noch verwerfen, so LIGO. Seltsam ...

Möglicherweise ist tatsächlich etwas dran an den Gerüchten, und die LIGO-Wissenschaftler haben etwas entdeckt, bei dem es sich um Gravitationswellen handeln könnte. Einige nicht an LIGO beiligte Forscher spekulieren über eine Veröffentlichung um den 11. Februar. Interessanterweise sind in den letzten beiden Wochen mit einer möglichen Entdeckung in Beziehung stehende Fachartikel erschienen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass die LIGO-Forscher wegen der im Internet kursierenden Gerüchte vor einer Bekanntmachung oder Veröffentlichung absolut sicher sein wollen, dass ihre Messungen real sind. Kein Wissenschaftler möchte in einer derartigen Situation von anderen Forschern blossgestellt werden. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in Wissenschaftler und die Naturwissenschaften im allgemeinen könnte beschädigt werden.

Wir sind gespannt, ob sich die Gravitationswellen bald zeigen und halten Sie auf dem Laufenden. Nach den Gerüchten um die Entdeckung des Higgs-Teilchens [1] wurde es von offizieller Seite relativ schnell bestätigt.

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information über astronomische Begriffe
www.wikipedia.de

[2] http://www.sciencemag.org/news/2016/01/

[3] Artikel über die Entdeckung von Gravitationswellen bei Nature
Nature (30 Sept 2015)
Nature (15 Sept 2015)

[4] Animation zu Ausbreitung von Gravitationswellen
http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/files/2013/05/Wavy.gif

[5] Weitere Gerüchte um die Entdeckung von Gravitationswellen
http://motls.blogspot.co.uk

[6] Geräusch zweier ineinander spiralender Schwarzer Löcher kurz vor dem Ende
http://www.ligo.org/science/GW-Overview/sounds/chirp40-1300Hz.wav

 

* [EXKURS: Wie mißt man Gravitationswellen (am LIGO)?
Erreichen Gravitationswellen die Erde, machen sie sich dadurch bemerkbar, dass sie die Raumzeit durch ihre wellenartige Struktur periodisch zusammendrücken (Berg) bzw. strecken (Tal der Welle).


Wie macht sich das am Ort der Erde bemerkbar?
Betrachten wir den Raum zwischen uns bzw. der Sonne und dem uns nächstgelegenen Stern, dem Stern α Cen [1] im Sternbild Zentaur (Cen) [1]. Der Stern ist rund 4 Lichtjahre (Lj) [1] von uns entfernt.
In einem Gedankenexperiment positionieren wir Gravitationswellendetektoren bei α Cen und am Ort der Sonne bzw. der Erde: Ein Ereignis wie das Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher komprimiert die Raumzeit zwischen der Sonne und α Cen um nur 49 Mikrometer (μm) [1]; das entspricht etwa dem halben Durchmesser eines menschlichen Haares.


Wie funktioniert LIGO?
Bisher können wir Gravitationswellendetektoren nur auf der Erde positionieren.
Im Falle von LIGO werden zwei rund 4 Kilometer lange Laserstrahlen [1] zur Suche nach Gravitationswellen benutzt. Dazu sendet man die Laserstrahlen gleichzeitig in zueinander senkrecht stehende Richtungen (Winkel 90 Grad) aus. Am Ende jeder Strecke werden die Laserstrahlen reflektiert und wandern zum Ausgangspunkt zurück. Ohne den Einfluss von Gravitationswellen werden die beiden Strahlen gleichzeitig reflektiert und treffen gleichzeitig am Ziel ein. Wird einer der Strahlen durch eine Gravitationswelle gestört, wird er komprimiert und erreicht das Ziel etwas später als der ungestörte Laserstrahl.


Was wird gemessen?
Diese Zeitdifferenz ist zwar winzig, aber messbar. Im Falle der beiden Schwarzen Löcher entspricht die zeitliche Abweichung einer Strecke von rund 10-18 Meter. Selbst ein Elementarteilchen [1] wie ein Proton [1] ist grösser als diese Strecke. Man muss daher ungeheuer exakt messen, um Gravitationswellen nachweisen zu können. Vor allem darf die Messapparatur nicht durch Einflüsse wie Erdbeben, die thermische Ausdehnung [1] des Detektors, etc. gestört sein, nicht zu vergessen das Rauschen [1]. Erst wenn man die äusseren Störungen ausschliessen kann, kann man mit den Messungen beginnen.
Derzeit kann LIGO Gravitationswellen entdecken, wenn deren Frequenzen [1] oberhalb von 10 Hertz[1] liegen. In diesem Fall entspräche das einem ineinander spiralenden Paar Schwarzer Löcher, die sich mehr als 10 Mal pro Sekunde umkreisen. Das ist enorm schnell und kaum vorstellbar.
Ein Beispiel: Nehmen wir an, jedes der beiden sich eng umkreisenden Schwarzen Löcher besitzt eine Masse von 10 Sonnenmassen [1]. Das entspricht einem Durchmesser (doppelter Schwarzschildradius [1]) von rund 30 Kilometern. LIGO kann die dabei entstehenden Gravitationswellen "hören", wenn beide etwa 50 Kilometer voneinander entfernt sind. Das entspricht einem Dreimillionstel der Entfernung zwischen der Erde und der Sonne. Mithilfe des 3. Keplerschen Gesetzes [1] ergibt sich daraus eine Bahnperiode [1] von 0,01 Sekunden. In diesem Fall hätte LIGO ein Paar Schwarzer Löcher mit einem Signal von etwa 100 Hertz entdeckt.


Richtung des Signals
Benutzt man einen LIGO-Detektor, hört man zwar das Signal, kann jedoch keine Aussage machen, woher es stammt; zwei oder drei Detektoren dagegen können die ungefähre Richtung der Quelle bestimmen. Unter [5] können Sie sich anhören wie sich ein Signal anhören würde.
Derzeit sieht es so aus, als seien die Gravitationswellendetektoren bereit für einen Nachweis - falls die Ereignisse Signale aussenden, die intensiv genug sind.

 

 

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