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Hutzi Spechtler  
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Ein ungewöhnlicher extrasolarer Besucher

Periodisch wiederkehrende Kometen [1] werden in langperiodische und kurzperiodische Kometen [1] eingeteilt. Bei den langperiodischen Kometen handelt es sich um kleine eisige Himmelskörper mit Umlaufszeiten [1] von mehr als 200 Jahren.

Der berühmte Halleysche Komet (1P/Halley) [1] besitzt eine Periode von rund 76 Jahren und gehört nicht zu den langperiodischen Kometen.

Die Kometenwolke
Langperiodische Kometen stammen vermutlich aus der Oortschen Kometenwolke ("Kometenwolke") [1] (Abb. 1), die sich wahrscheinlich am Rand des Sonnensystems [1] befindet. Diese Kometen besitzen starke Bahnexzentrizitäten [1], sind jedoch meistens durch die Anziehungskraft [1] der Sonne an das Planetensystem gebunden.

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Abb. 1 Schematische Darstellung der Lage der Oortschen Kometenwolke
(Oort Cloud, blauer Kreis) am äusseren Rand des Sonnensystems.
Im Zentrum befindet sich die Sonne. Die Markierung zeigt die Position der Erde.
© SciAm

 

Seit vielen Jahren vermuten die Wissenschaftler, dass die Kometenwolke von Zeit zu Zeit durch die Passage nahegelegener Sterne gestört wird. Diese Passage könnte ein Auslöser sowohl für neue langperiodische Kometen als auch Kometen sein, die die Erdbahn kreuzen.

Wahrscheinlich sind diese Erdbahnkreuzer [1] aus der Kometenwolke für etwa 30 Prozent der großen Krater (Durchmesser > 10 Kilometer) auf unserem Planeten und dem Mond verantwortlich.

Immer wieder scheinen aus der Kometenwolke vermehrt neue Kometen in das Sonnensystem zu gelangen. Bereits in den neunziger Jahren vermuteten einige Forscher einen Zusammenhang des Anstiegs der Anzahl dieser Kometen mit einem hypothetischen kleinen Begleitstern der Sonne.

Jedoch zeigen Analysen, dass ein derartiger stellarer Begleiter nicht periodisch am Sonnensystem vorbeiziehen kann. Himmelsdurchmusterungen im Infrarotbereich [1] lieferten bisher keine Hinweise auf einen "nahegelegenen" Bruder der Sonne. Der nächste Stern, Proxima Centauri (Prox Cen) [1] im Sternbild Zentaur [1] befindet sich in rund 4,2 Lichtjahren Entfernung.

Gliese 710
Mithilfe der Hipparcos-Himmelsdurchmusterung [1] konnte vor rund 15 Jahren jedoch innerhalb der nächsten rund 3 Lichtjahre (Lj) [1] ein Stern als Kandidat für nahe Vorübergänge am Sonnensystem identifiziert werden: der Stern Gliese 710 (Gl 710) [1].

Gliese 710 ist ein kleiner, leuchtschwacher Roter Zwergstern [1]. Er strahlt mit lediglich rund 5 Prozent der Sonnenleuchtkraft; seine Masse entspricht etwa einer halben Sonnenmasse [1]. Gliese 710 ist zwar wesentlich kleiner als die Sonne, jedoch ist er rund 50 Mal größer als die Erde und etwa 100.000 mal massereicher als unser blauer Planet.

Der kleine Stern bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 50.000 Kilometern pro Stunde auf das Sonnensystem zu. Das entspricht etwa der
50-fachen Schallgeschwindigkeit [1] Allerdings wird uns Gliese 710 erst in rund 1,4 Millionen Jahren sehr nah kommen. Dann wird er das Sonnensystem in einer Entfernung von rund 40.000 Astronomischen Einheiten (AE) [1] bzw. rund einem Lichtjahr (Lj) [1] passieren.

Bisherigen Abschätzungen zufolge passieren innerhalb von etwa 3 Lichtjahren etwa ein Dutzend Sterne das Sonnensystem, allerdings in einem Zeitraum von rund einer Million Jahre.

Eine Analyse der Bahnen von 50.000 Sternen der Hipparcos-Durchmusterung ergab, dass sich uns vier dieser Sterne in Zukunft bis auf etwa 1,6 Lichtjahre nähern können.

Der neue Nachbar
Vor zwei Jahren wurde ein neuer solarer Nachbar im Sternbild Einhorn (Mon) [1] entdeckt. Er ist einer der 70 sonnennächsten Sterne. Bei dem Neuling handelt es sich um den massearmen Stern WISE J072003.20-084651.2 ("W0720"), der nach seinem Entdecker auch als Scholzscher Stern [1] bezeichnet wird. W0720 ist (derzeit) sehr lichtschwach (18,3 mag) und befindet sich nahe der galaktischen Ebene [1]. Beides erklärt seine späte Entdeckung.

Bei dem neuen Stern handelt es sich um ein Doppelsternsystem [1]. Der Hauptstern des Systems ist ein roter Zwergstern und besitzt eine Masse von rund 86 Jupitermassen (rund 8 Prozent der Sonnenmasse) [1].

Sein Begleiter ist wahrscheinlich ein Brauner Zwergstern [1] mit rund 65 Jupitermassen (rund 6 Prozent der Sonnenmasse). Braune Zwerge sind extrem leuchtschwach und daher schwer zu entdecken. Dabei handelt es sich sozusagen um "fehlgeschlagene" Sterne: ihre Massen sind zu gering, daher findet in ihrem Inneren keine Kernfusion statt.
Das gesamte System besitzt nur rund 15 Prozent der Sonnenmasse.

Das Paar umkreist sich in einem Abstand von rund 0,8 AE, das entspricht etwa dem Abstand der Erde von der Sonne. Derzeit befindet sich das System in einer Entfernung von rund 20 Lichtjahren.

Die Forscher schätzen, dass Zwergsterne rund 75 Prozent aller Sterntypen ausmachen. W0720 wäre somit ein ganz gewöhnlicher Stern.

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Abb. 2 Künstlerische Darstellung der Passage des Scholzschen Sterns an der Sonne. © Michael Osadciw/Univ. of Rochester

 

Das ist nicht besonders aufregend, könnte man meinen. Allerdings hat die Auswertung der Bahn des Scholzschen Sterns ergeben, dass er - mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 Prozent - vor rund 70.000 Jahren das Sonnensystem passiert haben könnte (Abb. 2 und 3). Wahrscheinlich war diese Annäherung so extrem, dass die Bahnen von Kometen der äusseren Kometenwolke beeinflusst wurden.

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Abb. 3 Künstlerische Darstellung der Bahn des Scholzschen Sterns an der Sonne.
Vor rund 70.000 Jahren kam der Stern dem Sonnensystem sehr nah. Wahrscheinlich näherte er sich bis auf rund 50.000 AE. Die blaue Markierung in der Kometenwolke (links) weist auf die Ausdehnung der Plutobahn [1] gegenüber der Oortschen Wolke. © NASA/M. Osadciw/Univ. of Rochester/T. Reyes/yahw

 

Zwar hatte die Annäherung des Scholzschen Sterns wahrscheinlich keine extremen Auswirkungen auf die Kometenwolke, jedoch scheint diese Entdeckung den Einfluss naher Sterne auf die Kometenwolke zu bestätigen [2].

Existiert Nemesis?
Seit dem Jahr 1984 kursiert die Vermutung des bisher unentdeckten, nahen Sterns Nemesis [1], der sich mit einer Umlaufperiode von rund 26 Millionen Jahren dem Sonnensystem immer wieder nähert und die Kometenwolke beeinflusst. Nemesis soll sich in einer Entfernung von rund 95.000 AE befinden.

Bisher konnte Nemesis nicht beobachtet werden, die Existenz des Scholzschen Sterns hingegen ist real, auch wenn er sich gegenwärtig in einer Entfernung von rund 20 Lichtjahren befindet. Immerhin näherte sich der Scholzsche Stern der Sonne bis auf rund ein Lichtjahr. Er könnte in das Nemesis-Szenario passen, vor allem da er sich in der Vergangenheit bis auf rund 50.000 AE genähert hat. Dieser Abstand markiert die äussere Grenze des Sonnensystems (Abb. 3).

Die Beobachtungen sind eindeutig: der Scholzsche Stern bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit von uns weg. Er muss uns in der Vergangenheit wesentlich näher gewesen sein. Der Stern ist aktiv: im Aktivitätsmaximum steigt die Helligkeit des Sterns innerhalb von Minuten um bis zu 9 mag und manchmal bis um 12 mag an.

Die Forscher schätzen, dass die Helligkeit des Scholzschen Sterns - insbesondere durch seine Flareaktivität [1] - vor Zehntausenden Jahren so stark angestiegen sein könnte, dass frühe Menschen ihn theoretisch mit dem bloßen Auge hätten beobachten können. Mit einem Fernglas wäre das ein beeindruckendes Schauspiel gewesen.

Die Wissenschaftler suchen nun nach weiteren Sternen des Typs "Nemesis". Dabei sollen insbesondere die neuen (geplanten) Grossteleskope wie das LSST (Large Synoptic Survey Telescope) [1] die Entdeckung von weiteren Roten und Braunen Zwergsternen oder auch deren Planeten vorantreiben.

 

Falls Sie Fragen und/oder Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Information über astronomische und physikalische Begriffe
www.wikipedia.de

 

[2] Mamajek, E., ApJ 800, L17 (2015)und

http://www.rochester.edu/

 

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